Beschlossene Sache

Mehr Geld für alle
Symbol Geldscheine aus dem Schwarzgeldkonto des Verlegers
Wahrscheinlich dürften bisher nur Polit-Profis etwas gehört haben von Sonja Steffen (SPD) und Michael Leutert (Linke). Oder von Kerstin Radomski (CDU) und Tobias Lindner (Grüne). Sie alle gehören im Deutschen Bundestag zur Fraktion der Hinterbänkler und wenn sie zu Wort kommen, sind in aller Regel die meisten Parlamentsstühle leer. Wer nun glaubt, Steffen & Co. werden nicht so intensiv von der Macht geküsst, den knuddeln wir hier mal wach. Die Abgeordneten sind Mitglieder des Haushaltsausschusses. Ohne dessen Zustimmung erhält die Bundesregierung keinen Cent und Entscheidungen fallen häufig erst in Nachtsitzungen. Legendär ist der Auftritt des damaligen Bundesverkehrsministers Peter Ramsauer (CSU). Sein Ressort war nach etlichen Verzögerungen erst um 2.14 Uhr dran und Ramsauer hatte sich an der Bar im Hotel Adlon die Zeit vergnügt. Anschließend ging er lachend in den Ausschuss, ruderte mit den Armen, winkte und referierte breit grinsend über den „kombinierten Verkehr“. Im Saal gab’s Gelächter. Einige hatten trotz des trockenen Themas sogar Tränen in den Augen. Am Ende seiner Amtszeit stand der Mann aus München im Ruf des politischen Leichtgewichts.
Traurig eigentlich, dass es nicht immer so lustig zugeht. Im Großen wie im Kleineren. Aber Haushaltsbeschlüsse sind eine ernste Sache. Schließlich verteilen Politiker unsere Kohle, von der im Moment reichlich da ist. Allein dieses Jahr erwirtschaftet das Land Berlin einen Überschuss von erwarteten mehr als 700 Millionen Euro. Ob Berlin noch sexy ist, sei dahingestellt. Arm ist es nicht mehr. Weil Kredite heute ja kaum noch Zinsen kosten, stockt Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) den Landesetat mit lockerer Hand für die kommenden zwei Jahre trotz 59,5 Milliarden Euro Schulden um 4,5 Milliarden Euro auf. Davon bleibt natürlich so einiges in den Bezirken hängen. Lokalpolitiker aus Treptow-Köpenick atmen durch. Unisono kommentieren sie den üppigen Geldregen mit Sätzen wie: „Der Bezirkshaushalt Treptow-Köpenick ist für die Jahre 2018/19 deutlich auskömmlicher als in den Jahren zuvor“ (Stefan Förster, FDP) oder „Es stehen in allen Bereichen deutlich mehr Mittel zur Verfügung“ (Michael Vogel, CDU) und „insgesamt zufrieden mit der Haushaltsaufstellung“ (Claudia Schlaak, Grüne).
Wo es Bares gibt, ist Streit nicht weit.
Knete ist bekanntlich nichts für Weicheier und wo es Bares gibt, ist Streit nicht weit. Vogel und Förster werfen der rot-roten Kooperation um Bezirksbürgermeister Oliver Igel (SPD) vor, sie könne es sich „nicht verkneifen, einigen Klientelprojekten weitere namhafte Beträge zuzubilligen“. SPD und Linke machen unter anderem 40 000 Euro zusätzlich locker für das „Zentrum der Demokratie“ (Schöneweide), das für Vogel „nicht nur auf dem linken Auge blind ist, sondern es auch noch intensiv zukneift“. Ärger macht der CDU-Mann auch wegen einer neu geschafften Stelle für die Regionalkoordination „Schule ohne Rassismus“, die bei Igel angesiedelt ist und mit 60 000 Euro zu Buche schlägt. Vogel glaubt, dass dort ein Genosse „versorgt“ werden könnte, der nach der Bundestagswahl ohne Job dasteht. Höhere Honorare für Musikschule und Volkshochschule (VHS), eine zusätzliche Stelle für die Unterstützung der Gedenkstätte Köpenicker Blutwoche: Das alles unterstützt die CDU ebenso wie die Gegenfinanzierung durch Erhöhung der Preise u.a. bei der VHS. Alles okay, wenn nicht ihrer Stadträtin Cornelia Flader eins ausgewischt worden wäre. Ausgerechnet ihrem Schulamt strich die rot-rote Mehrheit 100 000 Euro für Tarifbeschäftigte. Flader hält das für ein „katastrophales Zeichen“ und für ein „falsches politisches Signal“, weil notwendige Stellen als Schulhausmeister nicht besetzt beziehungsweise nicht nachbesetzt werden können. Linke-Fraktionsgeschäftsführer Joseph Rohmann hält dagegen: „Als Vogel selbst noch Schulstadtrat war, stellte er fürs Jahr 2017 gut 130 000 Euro weniger ein als fürs Jahr 2016.“ Diese Mittel seien im Jahr 2017 nicht ausgeschöpft worden. Im aktuell debattierten Haushaltsplan, so Rohmann, erfolge eine „Besserstellung des Amtes gegenüber dem laufenden Haushaltsplan um eine Million Euro.“ Mit den Stimmen der SPD, den Linken und der Grünen ist der Haushalt inzwischen beschlossene Sache. Grüne Claudia Schlaak sieht dennoch weiterhin Defizite im Umweltschutz, im Naturschutz und bei den Grünflächen: „Das Budget reicht immer noch nicht aus, um die Grünanlagen bestimmungsgerecht zu pflegen. Naturschutzbelange können häufig nicht umgesetzt werden, da durch fehlendes Personal notwendige Kontrollen nicht möglich sind.“ Als weiteres Beispiel nennt Schlaak die „Stadtbäume, die grünen Lungen unseres Bezirks, die wir uns aus Bezirkshaushaltsmitteln gar nicht mehr leisten könnten“. Das klappe „lediglich mit Sonderkampagnen und -Förderungen des Senats“. Auch die „Kultur- und Bildungslandschaft“, so Schlaak, stehe in den kommen- den Jahren vor „großen Herausforderungen“. Mit 27.905 Stimmen (20,1 Prozent) war die AfD im Jahr 2016 in die BVV eingezogen, nahm Platz auf zwölf der 55 Sitze im Bezirksparlament und stellt mit Bernd Geschanowski den Stadtrat für Gesundheit und Umwelt. Schlaak zieht eine verheerende Zwischenbilanz: „Gerade in den Haushaltsausschussdebatten konnten wir gut sehen, dass von der Frontal-Opposition AfD gar keine alternativen Lösungen, Vorschläge, Änderungen zum Haushalt gekommen sind. Nur leere Worte, keine Inhalte. Die AfD-Fraktion hat sich in keinem Ausschuss konstruktiv eingebracht.“ Unbeantwortet von der AfD blieb eine Maulbeerblatt-Anfrage mit Stellungnahme zum Thema Haushalt. Die dürfte also noch einiges lernen können von ihren großen Brüdern vom nicht ganz so rechten Rand. Die aus Bayern nehmen einfach ein paar Drinks an der Adlon-Bar und machen sich locker.
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