Ein Musketier für die Kultur

Der Verein Kulturring in Berlin soll die ehrenamtliche Kulturlandschaft in Treptow-Köpenick retten. Gemeinsam mit dem Kulturamt wird ein bislang einmaliges Experiment vorbereitet.
Nein, wie ein Musketier wirkt er nicht: Armin Hottmann ist kein Mantel- und Degen-Typ, kein Draufgänger mit Hang zum Abenteuer. Im Gespräch wirkt er eher leise, ruhig und besonnen. Und doch soll der 54-jährige studierte Medienpädagoge das romantische Motto „Einer für alle, alle für einen“ für den Bezirk in die Tat umsetzen.
Foto: Maulbär-Archiv
Im Kulturamt hat man dafür ein einzigartiges Experiment erdacht, das wie einst bei d’Artangnan und seinen Freunden Risikobereitschaft erfordert, ebenso ritterlichen Beistand und Vertrauen in die Mitstreiter. Denn mit Hilfe von Hottmann und seinen Partnern will man nicht weniger als die Kulturlandschaft in Treptow-Köpenick retten.

Armin Hottmann ist der Geschäftsführer des Vereins Kulturring in Berlin e.V.. Der gemeinnützige Verein existiert seit 1994, er hat seine Wurzeln im 1945 gegründeten Kulturbund und ist als dessen Berliner Landesverband tätig. In der Hauptstadt betreibt er mehr als ein Dutzend Einrichtungen in den Bereichen Kunst und Kultur sowie Bildung und Jugendhilfe.

Zu den bekanntesten zählen unter anderem die renommierte Fotogalerie am Helsingforser Platz in Friedrichshain, die Galerie OstArt in Lichtenberg und das Deutsch-Russische Tschechow-Theater in Marzahn. In Treptow-Köpenick arbeiten die Kulturküche Bohnsdorf und die Begegnungsstätte Kulturbund Treptow in Baumschulenweg unter der Regie des Vereins.

Mit mehr als 200 Projekten und seinen 15 festangestellten Mitarbeitern ist der Kulturring in Berlin e.V. der größte Träger, der sich um die kieznahe Kultur in Treptow-Köpenick kümmert.


Ein Mieter für alle

Und genau diese professionelle Struktur ist der Grund dafür, dass Hottmanns Kulturring in Berlin e.V. ausgewählt wurde. Denn der Verein soll künftig alle kommunalen Kultureinrichtungen vom Bezirk anmieten. Alle Immobilien also, in denen freie Träger in Treptow-Köpenick Kulturarbeit leisten. So wie das RatzFatz in Schöneweide, der Dorfklub in Müggelheim oder die Werkstatt künstlerischer Lithographie in Treptow. Ein Mieter für alle.

Das ungewöhnliche Konstrukt ist einer Besonderheit des Südost-Bezirks geschuldet: In Treptow-Köpenick wurde vor Jahren die gesamte bezirkliche Kulturarbeit komplett ausgelagert; das Personal für die Einrichtungen, bis dato vom Bezirk gestellt und bezahlt, wurde so eingespart.

So hatte es das Bezirksamt damals beschlossen, so lief es jahrelang reibungslos.

Freie Träger, die hauptsächlich mit ehrenamtlichen Mitarbeitern arbeiten, kümmern sich seither um die Kiezkultur. Sie organisieren Feste, Lesungen und Ausstellungen, laden zu Gesprächen über Stadtteilgeschichte oder kümmern sich um Malzirkel, Rentnernachmittage und Tischtennisgruppen.

Die Immobilien werden vom Bezirk gestellt, mietfrei, auch einen Teil der Betriebskosten übernimmt der Bezirk. So hatte es das Bezirksamt damals beschlossen, so lief es jahrelang reibungslos – bis Ende 2018 der Landesrechnungshof Einspruch einlegte. Nach seinem Urteil muss das Bezirksamt mit jedem Kulturverein einen ordentlichen Mietvertrag abschließen. Denn anders als bei Sportvereinen oder in der Jugendhilfe dürfen die Bezirke Kulturträgern keine öffentlichen Gebäude mietfrei, im Amtsdeutsch „unter Wert“ genannt, überlassen. Es könne ja sein, so heißt es, dass Einnahmen mit Kulturveranstaltungen erzielt werden; und Profite dürfen gemeinnützige Vereine nicht machen.


Alle Mietverträge abgelehnt

Das Sparen, bis es quietscht, vor allem beim Personal, fiel dem Bezirksamt also auf die Füße. Immobilien-, Rechts- und Finanzexperten im Rathaus tüftelten seither an einem Mietmodell, das zugleich den Vorgaben der Rechnungsprüfer und den Möglichkeiten der ehrenamtlichen Vereine entspricht. Diese sollen weiterhin entgeltfrei in den Bezirksimmobilien arbeiten.

Es könne ja sein, so heißt es, dass Einnahmen mit Kulturveranstaltungen erzielt werden; und Profite dürfen gemeinnützige Vereine nicht machen.

Alle Versuche, den Spagat zwischen Bezirks-Wunsch und Rechnungshof-Forderung irgendwie zu schaffen, scheiterten. Die Kulturvereine, denen der Bezirk zum Ende vorigen Jahres pro forma die bisherigen Nutzungsverträge kündigte und zugleich „ordentliche“ Mietverträge schickte, lehnten alle Modelle ab. Sie sahen sich – zu Recht – wirtschaftlich nicht in der Lage, die Risiken eines Gewerbemietvertrages zu tragen.

Einige wie der Dorfklub Müggelheim drohten gar mit völliger Einstellung der Arbeit. Erst ein Gespräch in großer Runde mit den Verantwortlichen des Bezirksamtes, bei dem den freien Trägern zugesichert wurde, dass sie auch weiterhin keine Miete für die Immobilien zahlen müssen, bewog sie, ihre bisherige Arbeit zunächst fortzusetzen. Jetzt könnte sogar wieder dauerhaft Ruhe in die Arbeit der Ehrenamtlichen einziehen.


Miete als Zuwendung vom Kulturamt

„Wir haben vieles versucht, aber erst das Musketier-Modell vereint die rechtliche Notwendigkeit der Erzielung einer ortsangemessenen Miete entsprechend den Vorgaben des Landesrechnungshofes mit dem Interesse der Kulturvereine, auch künftig eine kostenfreie Nutzungsüberlassung zu erhalten“, sagt Kulturstadträtin Cornelia Flader (CDU).

Das Musketier-Modell sieht konkret vor, dass der Kulturring e.V. als Hauptmieter für alle kommunalen Kultureinrichtungen das Geld für Mieten und Betriebskosten in Gesamthöhe von knapp 147.000 Euro als Zuwendung vom Bezirk erhält. Zuwendungen sind Leistungen an Stellen (zum Beispiel an freie Träger) außerhalb der Verwaltung, die bestimmte Vorhaben für die Allgemeinheit erfüllen.

Man kann auch sagen, dass der Bezirk als Teil der Landesverwaltung erst Geld ausgibt, das er dann als Miete wieder einnimmt.

Dem Kulturring soll zudem eine halbe Personalstelle im Wert von 15.000 Euro aus dem Budget des Kulturamtes finanziert werden, für die aufwändigen Abrechnungen sowie als Bindeglied zwischen Bezirksamt und freien Trägern. Der Hauptmieter muss dann noch ordentliche – entgeltfreie – Nutzungsvereinbarungen mit den freien Trägern abschließen, die außerdem mit dem Kulturamt die von ihnen zu leistenden Angebote vertraglich festlegen müssen.

Das Rechtsamt des Bezirks, so Stadträtin Flader, habe alles geprüft und erklärt, das Musketier-Konstrukt sei rechtskonform: „Das Land Berlin bekommt für seine Gebäude eine ortsübliche Miete und die Kulturvereine, die ehrenamtlich die Kulturarbeit in den Ortsteilen leisten, werden nicht belastet.“

So funktioniert Bürokratie.

Man kann auch sagen, dass der Bezirk als Teil der Landesverwaltung erst Geld ausgibt, das er dann als Miete wieder einnimmt. So funktioniert Bürokratie. Die betroffenen Träger hätten bereits ihr Einverständnis zu dem Modell signalisiert, sagt Flader. Bis zum Jahresende soll soll alles ausgehandelt sein. Anfang 2020 soll dann das Musketier-Modell anlaufen. Zunächst für zwei Jahre, wie die Politikerin sagt: „Dann wollen wir prüfen, ob und wie es funktioniert hat.“ Und noch etwas wollen die Verantwortlichen in Treptow-Köpenick bis dahin klären.


Sport als Vorbild für Kultur?

Kulturstadträtin und Bezirksbürgermeister führen aktuell noch andere Gespräche mit der Landespolitik: Sie wollen klären, wieso die Arbeit der freien Träger im Kulturbereich nicht so funktionieren kann wie die der Sport- und Jugendvereine. Diese dürfen Bezirks-Immobilien kostenfrei nutzen, so dass keine haushalterischen Verrenkungen nötig sind. Vielleicht, so hofft die CDU-Politikerin, bekomme man eine ähnliche Berlin-weite Regelung auch für den Kulturbereich hin.

Der bürokratische Aufwand sei immens, so Hottmann.

Während die Kulturstadträtin also schon an die fernere Zukunft denkt, ist man beim Verein Kulturring noch mit den ganz neuen Aufgaben beschäftigt. Er sei bereit, in Treptow-Köpenick die Musketier-Rolle zu übernehmen, sagt Geschäftsführer Armin Hottmann. „Wir wollen ja, dass die Kultur, die leider oft vernachlässigt wird, im Leben der Menschen in allen Ortsteilen eine größere Rolle spielt.“

Noch aber müsse der Vorstand des Vereins zustimmen – und überhaupt: Um alles vertraglich zum Laufen zu bringen, müssten noch tausende Details geklärt werden. Der bürokratische Aufwand sei immens, so Hottmann. Immerhin müsse ja alles passen, auch für den Verein als den auserwählten Musketier. Damit es für diesen am Ende nicht heißt: Einer für alle, alle auf einen.


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