Derzeit liefen die letzten Abstimmungen mit der Unteren Denkmalschutzbehörde des Bezirks, heißt es aus dem Hause Terragon. Doch schon formiert sich Widerstand: Das Bezirksamt Treptow-Köpenick, insbesondere Baustadtrat Rainer Hölmer, wird von Grünauer Bürgern beschuldigt, die Seele von Grünau verkauft zu haben.
Dabei hätte man doch einen Schlussstrich ziehen können unter ein beispiellos verfehltes Kapitel Berliner Bau- und Grundstückspolitik. Die Treuhand Liegenschaftsgesellschaft hatte das 10 000 Quadratmeter große Areal für 650.000 Euro an eine türkische Investorin aus Ankara verkauft. Das war 2006. Doch statt zu investieren und das Denkmalensemble zu retten, das immerhin seit 1990 leersteht – geschah nichts. Die neue Eigentümerin ließ die Gebäude verfallen. Im Februar dieses Jahres hat sie die benachbarten Grundstücke an die Terragon GmbH verkauft – für 15 Millionen Euro, heißt es. Ein Gewinn von weit über 2.000 Prozent!
Das gefällt niemandem, weder im Bezirksamt noch in der Grünauer Bürgerschaft. Und dieser Vorfall stachelte den Unmut noch an. So reibungslos, wie sich die neue Eigentümerin Terragon und das Bezirksamt die weitere Entwicklung wünschen, wird es jedenfalls nicht laufen. Denn es gibt Proteste gegen die Pläne, in welche die Terragon 70 Millionen Euro investieren will. Der Verein „Riviera retten“ mit dem Künstler Nils Schultze an der Spitze bemüht sich seit Jahren, das Tanzlokal und die Ausflugsgaststätte mit seinen neobarocken und Jugendstil-Elementen zu erhalten. Schultze hat angekündigt, gegen das Vorgehen des Bezirksamtes Klage einzureichen. „Derzeit prüfen wir noch, wer klagen kann“, so Schultze. In Frage kommen Nachbarn und nach Schultzes Auskunft Vereine und Organisationen des Denkmalschutzes.
„Sollten die Seniorenresidenzen an dieser Stelle Realität werden, geht die Seele des Ortszentrums verloren. Nichts ist dann mehr so, wie die Bürger von Grünau es sich wünschen.“
Baustadtrat Rainer Hölmer (SPD) geht pragmatischer an die Sache heran. In einem Mail-Wechsel mit Robert Schaddach, einem Parteikollegen im Abgeordnetenhaus, stellt er die rhetorische Frage, was denn eigentlich verloren gehe: das Ambiente von Ruinen? Und: „Die historischen Ausflugslokale waren in dem Moment verloren, als die TLG sie veräußert hat.“
Doch inzwischen geht es um andere Dinge: Auslöser für den Streit ist ein Vorbescheid. Eine solche Bauvoranfrage hatte die Terragon GmbH im Dezember 2016 gestellt. Dabei wird geklärt, ob sich das Vorhaben entsprechend § 34 Berliner Baugesetzbuch „nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt“. Das ist ein übliches Verfahren im Vorfeld der Baugenehmigung, damit der Bauherr weiß, was er bauen darf und was nicht. „Ebenso haben wir die Bedingung gestellt, dass das Saalgebäude des Riviera und die Hüllen der beiden Hauptgebäude des Gesellschaftshauses erhalten werden“, so Hölmer. Vorher dürften die Seniorenwohnungen nicht bezogen werden.
Ein Gewinn von weit über 2000 Prozent!
Nils Schultze stört sich jedoch an der Höhe der nun geplanten Häuser. „Vier Geschosse mit einem zusätzlichen Staffelgeschoss haben wir in der Umgebung nicht. Normalerweise ist die Berliner Traufhöhe von 22 Meter unantastbar. Die so genannte Vergleichsimmobile, die nach dem Pragraphen 34 herangezogen werden müsste, hat mir noch keiner gezeigt.“ Der Vorbescheid, so sein Fazit, sei gar nicht zulässig.
Robert Schaddach, der sein Wahlkreisbüro in Grünau hat und sich für den Ortsteil engagiert, wundert sich über die „behördenuntypische Hast“, mit welcher der Vorbescheid ausgestellt wurde. Knapp drei Monate nach der Anfrage des neuen Investors gab das Bezirksamt Anfang März 2017 eine Presseerklärung über den Verkauf des Riviera und des Gesellschaftshauses heraus. Schaddach argwöhnt, dass so möglichst schnell andere Vorhaben abgewürgt werden sollten. Das weist Hölmer natürlich von sich.
Schultze hatte 2015 ein Kongress-Zentrum ins Spiel gebracht, das von der Grünauer AG Ortsgestaltung unterstützt wurde. Die Pläne seien damals von Ernst & Young ausgearbeitet worden – einem Netzwerk von Wirtschaftsprüfern. Hölmer dagegen sagt, es habe nur eine studentische Arbeit gegeben, die sich mit der wirtschaftlichen Machbarkeit eines Kongresszentrums befasst habe. „Ein prüffähiger Antrag hat uns nie vorgelegen.“
Weiterhin behauptet Schaddach, das Bezirksamt habe extra für den neuen Investor Terragon die Auflagen des Denkmalschutzes gelockert. Tatsächlich sollten ursprünglich die beiden Ausflugslokale gerettet werden. Im Zuge des Vorbescheides wurde für das Gesellschaftshaus nur noch der „Erhalt der Außenhülle“ gefordert. „Nach dem langen Leerstand erhoffen wir uns so den größtmöglichen Substanz- und Identitätserhalt“, sagt Hölmer. Schließlich hat Schaddach einen Enteignungsantrag gegen den türkischen Eigentümer gestellt. Der sei noch nicht bis zum Schluss bearbeitet, meint er. Doch Hölmer wiegelt ab. „An eine Enteignung sind in Deutschland sehr hohe Maßstäbe geknüpft. Die Voraussetzungen dafür dürften nach Lage der Dinge zu keiner Zeit vorgelegen haben.“
Auf den ersten Blick scheint es sich bei dem Klein-Klein um die Rettung von Ruinen zu handeln, um ästhetische Streitereien von Bauhöhen und Abstandsflächen. Tatsächlich glauben Schultze und Schaddach, dass der Wassersport in Grünau baden geht. „Er gehört zu unserer Identität. Doch wenn die zugezogenen Senioren ihre Ruhe haben wollen, ist es womöglich schnell vorbei mit den traditionellen Regatten.“ Schultze befürchtet, dass Grünau zur Schlafstadt verkommt. Hölmer aber ist überzeugt, dass die Nutzung des Grundstücks als Seniorenwohnanlage zur kulturellen und sozialen Belebung beitragen wird und neue Impulse setzen wird.
Schultzes Hoffnung beruht darauf, dass die Baugenehmigung noch nicht erteilt ist. Der Vorbescheid ist zwar bindend, aber er sieht Chancen, ihn anzufechten. Darum die angedrohte Klage. Und dass der Bezirk zu Regresszahlungen verpflichtet werden kann, wenn er dem Investor die Baugenehmigung verweigert? „Dann ist das eben so“, findet Schultze. „Vor dem Schnellschuss des Bezirksamtes waren alle noch dialogbereit.“