Neues Wohnen auf alter Brache

Auf dem Areal des ehemaligen Kabelwerks Köpenick entstehen 900 Wohnungen – plus Kita sowie Gastronomie, Kleingewerbe und Büros.
Erstveröffentlichung am 09.12.2020
Die Dachbalken der alten Fabrikhallen sind größtenteils verkohlt und eingefallen, aus zerbrochenen Fenstern der einstigen Sozialgebäude wuchert armdickes Gestrüpp. Die Einzigen, die sich von Zeit zu Zeit auf der Industriebrache an der Friedrichshagener Straße tummeln, sind Filmteams mit Interesse an Gruselkulissen.
Ruine des ehemaligen Kabelkraftwerks Köpenick an der Friedrichshagener Straße
Foto: Matti Fischer

Das gut 66.000 Quadratmeter große ehemalige Kabelwerk Köpenick an der Friedrichshagener Straße ist seit rund 30 Jahren eine Brache. Mehrere Investoren versuchten sich an einer Entwicklung, doch alle zogen sich erfolglos zurück.

Doch der neue Eigentümer hat große Pläne mit dem Areal und treibt diese energisch voran: Das Immobilienunternehmen Deutsche Wohnen SE hat die riesige Fläche, die sich östlich an das Neubaugebiet Am Krusenick anschließt, vom Vorbesitzer gekauft und will dort ein neues Wohngebiet entwickeln.

 

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Beauftragt damit ist das renommierte Architektenbüro Gerkan, Marg und Partner, das in Berlin unter anderem den Flughafen Tegel, den BER und den Hauptbahnhof sowie das Tempodrom und den Umbau des Olympiastadions verantwortete. Und nun eben ein Wohngebiet auf einer Köpenicker Industriebrache.

Neben rund 900 Wohnungen soll es auf dem Areal auch Gastronomie, Kultur, Gewerbe und eine Kita mit 80 Plätzen geben. Erste Entwürfe des Bebauungsplans, der gemeinsam mit dem Stadtentwicklungsamt Treptow-Köpenick erarbeitet wird und der auch einen öffentlichen Uferweg vorsieht, sind jetzt veröffentlicht worden.


Industriedenkmale mit „Plaza“ als Zentrum

Im Mittelpunkt des Projekts stehen die beiden rot geklinkerten Fabrikhallen, die denkmalgeschützt sind, aber wegen ihres maroden Zustands nicht komplett restauriert werden könnten, heißt es in den Planungen. Trotzdem sollen die fünfgeschossigen Hallen und zwei angrenzende Hallenjoche soweit wie möglich wiederhergestellt werden.

In ihrem Innern sind unter anderem Büros, Manufakturen und Gastronomie sowie die Kita vorgesehen, auch Möglichkeiten für Gemeinschaftsgärten soll es dort geben. Die oberen Fabrik-Geschosse könnten zu Wohnlofts ausgebaut werden.

Zwischen beiden Fabrikensembles soll es eine „Plaza“ und einen Boulevard geben, der zum Ufer führt. Um die beiden Fabrikhallen gruppieren sich sechsgeschossige Neubauten – langgestreckte Gebäude entlang der Straße, die auch als Schallschutz gedacht sind.

Am Wasser sind mehrere Punkthäuser vorgesehen, ähnlich wie im Nachbargebiet Am Krusenick. Und an der Ecke zur Salvador-Allende-Straße soll ein neungeschossiger Büroturm gebaut werden. Erhalten werden die ebenfalls denkmalgeschützte Umfassungs-Mauer an der Friedrichshagener Straße (die ebenfalls als Lärmschutz dienen soll) und das ehemalige Pförtnerhaus des Kabelwerks sowie die Gleisanlagen auf dem Gelände.


Seit 1916 Industriegelände

Auf dem Gelände wurden seit Anfang des 20. Jahrhunderts Starkstrom- und Telekommunikationskabel gefertigt. Der Firmengründer Julius Vogel hatte expandiert und neben seinen Fabriken in Adlershof und Schöneweide auch in Köpenick ein Werk errichtet.

1939 übernahm Siemens, nach dem 2. Weltkrieg wurde die kaum zerstörte Fabrik zum „Betrieb der Sowjetischen Aktiengesellschaft“ umgewandelt.

1952 wurde das Kabelwerk Köpenick ein Volkseigener DDR-Betrieb, der um Poliklinik, Kinderkrippe, Sportplatz und Bootshäuser erweitert wurde und seit 1967 als Teil des Kabelkombinats „Wilhelm Pieck“ fungierte.

Mitte der 1990er-Jahre wurde das Werk geschlossen, seitdem regieren dort Vandalismus und Verfall. Auf einem Teil des Geländes war zeitweise das Jugend- und Sportprojekt Mellowpark beheimatet. Kabel werden im Umkreis weiterhin fabriziert – nördlich der Friedrichshagener Straße stellt eine Nachfolgegesellschaft des Kabelwerks Köpenick moderne Netzwerkkabel her.

Ruine des ehemaligen Kabelkraftwerks Köpenick an der Müggelspree
Foto: Matti Fischer

Deutsche Wohnen mit eigener Baugesellschaft

Die Deutsche Wohnen SE als Investor ist nicht unumstritten, vor allem wegen ihres oftmals ruppigen Umgangs mit Mietern. Die Linken und andere Gruppen in Berlin fordern einen Volksentscheid unter dem Motto „Deutsche Wohnen enteignen!“. Im Bezirk Treptow-Köpenick hat man bislang gute Erfahrungen mit dem börsennotierten Konzern gemacht, der bundesweit rund 167.000 Wohnungen besitzt, in Berlin sind es gut 115.000.

In Treptow-Köpenick erklärte sich das Unternehmen bereit, mindestens 30 Prozent der Mietwohnungen als Sozialwohnungen anzubieten, wie es das Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung vorsieht. Auch die Planungsleistungen und nötigen Gutachten, beispielsweise für Verkehr, Bodenuntersuchungen oder Biotop- und Baumkartierung, werden wie üblich vom Investor getragen. Baustadtrat Rainer Hölmer (SPD) sagt:

„Ferner wird im weiteren Verfahren ein städtebaulicher Vertrag geschlossen werden, mit dem weitere Pflichten und Bindungen der Grundstückseigentümerin gesichtert werden.“

Das könnten etwa die Erstellung von Straßen auf dem Gelände sein, die privat gebaut, dann aber öffentlich genutzt werden. Auch der Bau des öffentlichen Uferweges oder von öffentlichen Spielplätzen durch den Investor ist vorstellbar.

Die Deutsche Wohnen plant für die kommenden Jahre bundesweit den Bau von mehr als 15.000 Wohnungen, in Berlin sollen insgesamt rund 4.000 Wohnungen entstehen, wobei mehr als die Hälfte davon auf Treptow-Köpenick entfallen. Im Südostbezirk hat das Unternehmen neben dem Kabelwerksgelände vor einigen Monaten auch das Areal rund um die alte Bolle-Villa in Wendenschloss vom Vorbesitzer gekauft und entwickelt dort den „Marienufer“ mit 1.200 Wohnungen.

Für die Neubauprojekte hat das Immobilienunternehmen eigens eine Baugesellschaft gegründet, wie Unternehmenssprecherin Romy Mothes sagt: „Die Deutsche Wohnen Construction and Facilities GmbH fungiert als Bauherrenvertretung für die Deutsche Wohnen im Projekt Kabelwerk Köpenick und ist eine 100prozentige Tochtergesellschaft, die Sanierungs- und Neubauprojekte innerhalb der Deutsche-Wohnen-Gruppe realisiert.“


Baubeginn frühestens 2024

Was die Mietpreise betrifft, gibt sich der Investor moderat. In Wendenschloss, das auch als „Zehlendorf des Ostens“ bezeichnet wird, kalkuliert man mit maximal 13 Euro pro Quadratmeter. Was für diese Gegend, in der auch 20 Euro keine Seltenheit sind, wirklich moderat ist. Welche Preise auf dem Kabelwerksgelände vorgesehen sind, ist noch nicht bekannt. Auch steht noch nicht fest, ob es dort auch Eigentumswohnungen geben soll.

Während am „Marienufer“ die ersten Wohnungen in drei Jahren fertig sein könnten, dauert es auf dem Kabelwerksgelände deutlich länger – mit einem Baubeginn werde dort frühestens im Jahr 2024 gerechnet, sagt Unternehmenssprecherin Mothes.

Baustadtrat Hölmer hält das Kalbelwerk-Projekt jedenfalls für einen Gewinn. Es zeige, wie sowohl der historische Wert von Denkmalen gesichtert als auch brachliegende Gebäude und Flächen sinnvoll genutzt werden könnten, sagt er. Und:

„Vor allem: Wir schaffen auch hier den so dringend benötigten Wohnraum, begleitet von gewerblichen, kulturellen und sozialen Einrichtungen sowie Büroflächen.“


Knackpunkt Verkehr

So schön es auch ist, wenn viele neue Wohnungen für viele Menschen gebaut werden (wobei Treptow-Köpenick berlinweit mit ganz vorn liegt) – ein Problem wird in Köpenick täglich sichtbarer: das Verkehrsaufkommen steigt an. Schon jetzt ist die Wendenschlossstraße, die in Richtung „Marienufer“ führt, mehrmals täglich vollgestaut; dabei entstehen in dem Bereich noch weitere größere Bauprojekte.

Und auch das Verkehrsaufkommen rund um das Kabelwerk Köpenick wird zunehmend zum Problem. Denn die Erschließung des neuen Wohngebietes soll – natürlich – über die Friedrichshagener Straße erfolgen. Doch diese ist schon jetzt häufig voller Verkehr, auch weil sich gegenüber dem Kabelwerksgelände mit „Kaufland“ und „Toom“ zwei beliebte Einkaufsstätten befinden. Das neue Wohngebiet jedenfalls soll über drei Ein- und Ausfahrten von der Friedrichshagener Straße erreichbar sein.

Am Pförtnerhaus ist die zentrale Ein- und Ausfahrt geplant. Von dort sollen die Bewohner auch zu den Tiefgaragen mit insgesamt etwa 350 Stellplätzen gelangen. Oberirdisch sind weitere 50 Parkplätze geplant. Auch ein so genannter Mobility Hub, ein Gebäude, in dem Möglichkeiten für Carsharing, E-Mobility und ein Fahrradverleih vorgesehen sind, soll entstehen. Weitere Maßnahmen zur Reduzierung des Autoverkehrs würden im weiteren Verfahren geprüft, heißt es in den Planungsunterlagen.

Angesichts der Bau-Großprojekte im Bezirk, weiterer Vorhaben im Südosten Berlins und Brandenburgs, wozu auch das Tesla-Werk in Grünheide mit tausenden Mitarbeitern und potenziellen Pendlern auch aus Berlin gehört, soll das Bezirksamt bei der Senatsverwaltung für Verkehr, Umwelt und Klimaschutz baldmöglichst eine Verkehrskonferenz für den Südosten Berlins initiieren.

Das hat jetzt die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Treptow-Köpenick Ende November auf Antrag der Linken und der SPD beschlossen. Die Entwicklung erfordere Antworten auf die Frage, wie die künftige Verkehrsentwicklung in der Region bewältigt werden kann, heißt es. Ein solches Konzept könne nur bezirksübergreifend und in Zusammenarbeit mit den benachbarten Landkreisen erfolgen.



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