Fünf Monate lang wechselten im Bezirk Erschrecken, Empörung und Schuldzuweisungen einander ab, jetzt soll endlich aufgeklärt werden: Am Montagabend beschlossen die Bezirksverordneten auf einer außerordentlichen Sitzung die Bildung eines Sonderausschusses. Dieser soll bis zum Juni 2019 sämtliche Vorgänge sowie den Verlauf rund um die Insel-Abbaggerung aufklären, die Reaktionen des Bezirksamtes dokumentieren und aus allem Schlussfolgerungen ziehen.
„Bislang wurde über die Vorgänge im Rotsch-Hafen vor allem emotional und kontrovers debattiert. Jetzt geht es darum, fachlich kompetent aufzuklären“, sagte Sascha Lawrentz von der CDU-Fraktion im Bezirksparlament, die einen Sonderausschuss bereits im September gefordert hatte. Weil diese Forderung damals aber eher allgemein gehalten war, einigten sich alle Fraktionen – außer die der AfD – jetzt auf neun konkrete Untersuchungsaufträge für den Ausschuss. Insbesondere soll die Rolle des Bezirksamtes in der Hafen-Affäre geklärt werden. Konkret heißt das: Es soll geprüft werden, wie bei den Verantwortlichen mit Hinweisen und Beschwerden von Bürgern umgegangen wurde. Ob es gar Anzeichen für Korruption gab. Und wie der Informationsaustausch sowie die Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Ämtern funktionierten.
Umweltstadtrat im Fokus
Herauskommen wird bei einigen Punkten Erschreckendes: Weder haben die Verantwortlichen des zuständigen Umwelt- und Natuschutzamtes (verantwortlich: Bernd Geschanowski, AfD) zahlreiche Hinweise von Bürgern ernst genommen, noch gab es eine Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Ämtern. Mitte Mai, nachdem mehrere Schmöckwitzer Anwohner Baggerarbeiten rund um den Hafen gemeldet hatten, wurde vom Umweltamt lediglich eine Praktikantin in den Südosten geschickt. Die junge Frau bemerkte außer Schutt- und Erdhaufen außerhalb des Hafens nichts Auffälliges; sie traute sich nicht in den Hafen hinein, weil ein Schild „Unbefugten“ den Zutritt verbot. Dass die Bauschutt- und Erdhaufen die abgebaggerte Insel waren, kam niemanden im Amt in den Sinn. Stadtrat Geschanowski sagt, er habe erst am 14.Juni, also einen ganzen Monat nach dem ersten Anwohner-Hinweis, von den Arbeiten im Hafen erfahren. Dass er nichts von dem Anfang Mai verhängten Baustopp für den Hafen gewusst haben will, gehört zu den zahlreichen Absonderlichkeiten in dieser Sache. Normalerweise wird über gravierende Maßnahmen, wie es ein Baustopp ist, bei Bezirksamtssitzungen informiert. Der Baustopp, im Beamtendeutsch auch Veränderungssperre genannt, war vom Stadtentwicklungsamt verhängt worden, weil der Hafen-Besitzer auf seinem Gelände teure Stadtvillen plante, die der Bezirk dort aber nicht will. Der Bereich Stadtentwicklung untersteht dem SPD-Baustadtrat Rainer Hölmer.Anzeige aus der Senatsumweltverwaltung
Auch mit der Arbeit von Hölmers Verwaltung im Zusammenhang mit dem Rotsch-Hafen soll sich der Sonderausschuss befassen. Und obwohl der Umweltstadtrat jene Adresse ist, die die meisten unangenehmen Fragen beantworten muss, sagt der Chef der Linkenfraktion Philipp Wohlfeil:„Wir planen keinen Geschanowski-Ausschuss.“Man wolle vielmehr wissen, wer im Bezirksamt wann, wie und warum gehandelt habe. Oder eben nicht. Auch die Abstimmung mit den verantwortlichen Senatsverwaltungen soll auf den Prüfstand. Die Senatsumweltverwaltung hat inzwischen Anzeige gegen den Hafen-Eigentümer Nico Thiele erstattet. Es geht dabei um mögliche Verstöße gegen das Naturschutz-, das Wasser- und das Abfallrecht.
Eigentümer weist Vorwürfe zurück
Eigentümer Nico Thiele versucht indes, seine Versäumnisse so minimal wie möglich aussehen zu lassen. In dem bislang einzigen Interview, das er zum Rotsch-Hafen gab, weist er die meisten Vorwürfe gegen sich zurück. Die Insel sei gar keine Insel gewesen, sagt er. Vielmehr habe es sich um eine Landzunge gehandelt, die aus einem in DDR-Zeiten versenkten Schwimmbagger, einem Transportschiff und aus teils giftigem Bauschutt bestanden habe, so Thiele gegenüber dem rbb24. Er behauptete auch, dass es im Jahr 2017 ein Gutachten über die Gefahr des Abrutschens gegeben habe, er habe deshalb wegen „Gefahr im Verzug“ handeln müssen. Das einzige, was er sich vorwerfen lassen müsse, so der Unternehmer, sei, dass er die Behörden „zu spät“ einbezogen habe. Das kontaminierte Material sei übrigens „in enger Zusammenarbeit mit der Senatsverwaltung“ fachgerecht entsorgt worden. Dem Sonderausschuss im Bezirk will Thiele sämtliche Unterlagen offenlegen. Den Aussagen des Investors, der seinen Ruf retten muss, auch weil er bei künftigen Arbeiten auf Genehmigungen des Bezirks angewiesen ist, misst der Linken-Politiker Wohlfeil zunächst nicht viel Beachtung bei:„Da ist ein gesundes Maß an Skepsis angebracht. Herr Thiele ist ja kein Unbekannter im Bezirk.“Tatsächlich spielte der Unternehmer vor 13 Jahren schon einmal eine viel beachtete Rolle in Köpenick. Damals kaufte sein Vater Frank Thiele das ehemalige DDR-Rundfunkgelände an der Nalepastraße. Auch Nico war mit von der Partie. Die Thieles bekamen das Areal am Spreeufer, dessen Wert auf 24 Millionen Euro geschätzt wurde, für nur 350.000 Euro. Das 13 Hektar große Filetgrundstück wurde in drei Teile aufgesplittet und das lukrativste für knapp vier Millionen Euro versteigert. Ein gutes Geschäft, das nur möglich war, weil die zuständigen Behörden komplett versagten.