Im Herbst wird nämlich nicht nur der Bundestag neu gewählt, auch das Berliner Abgeordnetenhaus und die Politiker in den zwölf Bezirken werden neu bestimmt. Nicht alle Stadträte, die am Donnerstag ihre Arbeits-Schwerpunkte aufzeigten, werden am Ende des Jahres noch dabei sein.
Oliver Igel, der seit 2011 für die SPD Chef im Köpenicker Rathaus, möchte gern wieder Bürgermeister werden. Mit seinen mahnenden Worten nahm er Bezug auf das neue Berliner Fußgängergesetz, das Senat und Abgeordnetenhaus gerade beschlossen haben. Es sieht essentielle Verbesserungen für Fußgänger vor, zum Beispiel glatte, ebene Wege. Weil damit viele neue Aufgaben auf die Bezirke zukommen (die bislang nur auf die Verkehrssicherheit und nicht auf den Komfort von Wegen achten müssen), verlangte Igel „konstruktive Verbesserungen für die Arbeit der Verantwortlichen“. Konkret meinte er damit vor allem mehr Personal.
Imagefilm für neues Personal
Insgesamt sind im Bezirksamt Treptow-Köpenick von den rund 1.700 Stellen derzeit gut 280 unbesetzt. Allein im Baubereich, der auch für die Gehwege zuständig ist, fehlen mehr als 60 Mitarbeiter. Und im Schul- und Sportamt gehen demnächst zahlreiche Mitarbeiter in Rente.
Ein Dilemma für den Bezirksbürgermeister, denn er und seine Kollegen wollen die hohe Erwartungshaltung der Bürger weiter erfüllen.
„Auch abseits der Pandemie, die uns alle im Griff hält, brauchen wir deshalb mehr motivierte Beschäftigte, die mithelfen, unseren Bezirk voranzubringen.“
Immerhin soll die Zahl der Einwohner in Treptow-Köpenick (derzeit knapp 270.000) bis zum Jahr 2030 um 9,2 Prozent steigen; nach Pankow wäre das der höchste Anstieg in Berlin. Für die Bewältigung der steigenden Verwaltungsaufgaben werden entschieden mehr Mitarbeiter benötigt, als sich derzeit bewerben.
Deshalb gibt es jetzt einen Imagefilm, der in rund sieben Minuten erklärt, wieso es sich lohnt, im Bezirksamt Treptow-Köpenick zu arbeiten. Es geht um Lebenswünsche, um Karrierepläne und um die Verbindung zwischen Großstadt und Natur, die den Bezirk auszeichnet.
Bauen als Schwerpunkt
Im Vorjahr, so Igel, seien im Bezirk mehr als 55 Bauprojekte angeschoben worden, Planungen und Ausschreibungen seien erfolgt. Darunter sind 28 Schulen, zwei Kiezklubs, zwei Jugendfreizeiteinrichtungen, eine Musikschule, diverse Sportanlagen und Dienstgebäude.
Für die neue Musikschule an der Mörikestraße in Baumschulenweg, die für 4,5 Millionen Euro entsteht, soll in diesem Herbst Baubeginn sein, die Fertigstellung ist für das Frühjahr 2022 geplant.
Ein neuer Kiezklub soll im selben Zeitraum für 2,6 Millionen Euro an der Kiefholzstraße 274 entstehen. Auch im Allendeviertel, im Gebäude der neuen Flüchtlingsunterkunft, ist ein neuer Kiezklub geplant, wie Sozialstadtrat Gernot Klemm (Linke) mitteilte. Gerade im Allendeviertel, wo der Anteil der über 65-Jährigen bezirksweit am höchsten liegt, sei ein solcher Treffpunkt besonders wichtig.
Schulen werden saniert und ergänzt
Weil durch den Zuzug von Familien im Bezirk seit geraumer Zeit die Schülerzahlen steigen, werden an vier Standorten temporäre Schulgebäude geplant. Sie sind auf fünf Jahre ausgelegt und entstehen an der Insel-Schule in Schmöckwitz, an der Schule am Ginkobaum, an der Anna-Seghers-Schule und an der Schule in den Püttbergen.
Umfangreichere Bauarbeiten sind an der Peter-Hille-Straße 7 in Friedrichshagen geplant, wo für gut sieben Millionen Euro ein Erweiterungsbau für Schüler und Lehrer geplant ist. Auch das alte Schulgebäude an der Stillerzeile in Hirschgarten wird für gut 20 Millionen Euro nicht nur reaktiviert, dort soll unter anderem eine neue Grundschule entstehen.
Die Grundschule am Pegasuseck im Kosmosviertel in Altglienicke wird instand gesetzt und ergänzt, ebenso die Schule am Wildgarten an der Köpenicker Landstraße und die Müggelschlösschen-Schule an der Alfred-Randt-Straße im Allende-Viertel 2.
Laut Igel sind auch dringend notwendige Erweiterungen in Kitas geplant, ebenso die Generalinstandsetzung des Jugendfreizeitschiffes Remilli, das im Herbst wieder in Schöneweide ankern soll.
Der „Leuchtturm“ der Schulbauten ist laut Bezirksamt aber die geplante Gemeinschaftsschule in Adlershof, die von der Howoge gebaut wird. 1.300 Schülerinnen und Schüler sollen am Eisenhutweg/ Ecke Hermann- Dorner-Allee einmal lernen. Das Projekt, das von der Senatsverwaltung koordiniert wird, ist mit einem Volumen von mehr als 100 Millionen Euro ein Berliner Großprojekt.
Was die Schulen betrifft, räumte Stadträtin Cornelia Flader (CDU) ein, dass diese derzeit „gut, aber nicht sehr gut“ auf das Thema Digitalisierung vorbereitet sind. Zwölf Millionen Euro hatte der Bezirk aus den Mitteln des Digitalpaktes vom Bund erhalten, rund zehn Millionen seien noch übrig, so Flader. Besonders schwierig nannte sie die Tatsache, dass kaum Glasfaserkabel für schnelles Internet vorhanden seien.
Weitere Investitionen nötig
Ob für die geplanten und weitere Maßnahmen weiterhin genügend Geld vorhanden sein wird, ist angesichts der immensen Ausgaben im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie indes fraglich. Bürgermeister Igel sagte, er werde sich „in allen Ebenen der Politik dafür einsetzen, dass auch in der Krise weiter investiert wird.“
Helfen könnte dabei möglicherweise auch „Druck von unten“, die Ausweitung der Bürgerbeteiligung, für die im Bezirk – nach zweijähriger Debatte – eine zentrale Anlaufstelle eingerichtet wird.
Dass Bürger und Verwaltung nicht immer die gleiche Meinung haben, wie ein Projekt am besten zum Nutzen aller verwirklicht werden soll, gab Baustadtrat Rainer Hölmer zu. Der SPD-Politiker begleitet seit längerem die Meinungsbildung bei der Neugestaltung der Dörpfeldstraße, des dortigen Marktplatzes und des Kulturzentrums Alte Schule in Adlershof.
„Oft sind die Bürger in ihren Ideen kreativer als die Verwaltung, damit muss man sich auseinandersetzen.“
Auch für solche Debatten könnte die neue Anlaufstelle für Bürgerbeteiligung möglicherweise ein guter Ort sein. Auch die Baumschulenstraße soll demnächst umgestaltet werden, ein Entwicklungskonzept wird gerade erstellt. Für Hölmer ist das „eine spannende Diskussion“, der er sich gerne stellen werde.
Die meisten Wohnungen in Berlin genehmigt
Zentraler Schwerpunkt, so Hölmer, bleibe im Bezirk aber der Wohnungsbau. Treptow-Köpenick hat von Januar bis September 2020 mit 2.922 die meisten Wohnungen berinweit genehmigt. Das heißt, dass fast 19 Prozent aller in Berlin genehmigten Wohnungen im Südosten entstehen.
Neben neuen Vierteln wie dem Marienhain in Wendenschloss oder auf dem Areal des ehemaligen Kabelwerks an der Friedrichshagener Straße, wo die Zahl der Wohnungen jeweils die Tausendermarke übersteigt, soll auch in bestehenden Vierteln gebaut werden.
Nachverdichtung lautet der Begriff, der regelmäßig die dort bereits lebenden Mieter zu Protesten treibt, weil sie ihre Lebensqualität beeinträchtigt sehen. So plant die Degewo im Kietzer Feld in Wendenschloß zunächste 170 neue Wohnungen, die Gesellschaft Stadt und Land am Hassoweg in Altglienicke rund 240 und an der Johanna-Tesch-Straße rund 120 neue Wohnungen. Die Genossenschaft Amtsfeld will im Allendeviertel etwa 76 neue Wohnungen bauen.
Dass dabei auch die soziale Infrastruktur Stand halten muss, etwa bei Kitas, Schulen, Einkaufsmöglichkeiten oder Arztplätzen, ist eine Art Quadratur des Kreises, der sich die zuständigen Ämter im Bezirk zunehmend gegenüber sehen.
Gesund und selbstbestimmt
Dass im Bezirk seit September vorigen Jahres das Modellprojekt „Gesund und selbstbestimmt“ läuft, hielt Gesundheitsstadtrat Bernd Geschanowski (AfD) für besonders erwähnenswert für seinen Bereich. Die Techniker Krankenkasse hat für das Projekt 200.000 Euro spendiert und will fünf Jahre lang mit verschiedenen Trägern sowie mit dem Alexianer Krankenhaus Hedwigshöhe im Bezirk Menschen helfen, die in eine präkere Lebenssituation geraten sind.
„Wie wir mit den Schwächsten umgehen,“ so Geschanowski, „darf als Maßstab gelten, Gesundheit und Lebensqualität im öffentlichen Bewusstsein zu verankern.“
Zur Lage im Gesundheitsamt, dessen ehemaliger Vizechef dem AfD-Politiker Rassismus vorwarf und daraufhin gefeuert wurde, sagte Geschanowski, er wolle das Amt umstrukturieren. Der künftige Amtsarzt, dessen Stelle seit Monaten unbesetzt ist, soll sich um die medizinische Belange kümmern. Verwaltung und technische Organisation soll ein weiterer Chef übernehmen. Die Ausschreibungen würden vorbereitet.
Kunst und Kultur in Bedrängnis
Wie weiter mit Kunst und Kultur, lautet die Frage derzeit auch im Südost-Bezirk. Die zuständige Stadträtin Cornelia Flader (CDU) teilte mit, dass zwar die Bibliotheken geschlossen seien, aber ein neuer Bücherbus geplant sei.
In den Museen werde über neue Konzepte nachgedacht, wie etwa Heimatgeschichte besser dargestellt werden kann. Und im öffentlichen Raum plane man diverse Projekte, die Künstlern helfen und Besucher erfreuen sollen. So sind im Treptower Park zwei Skulpturen unter dem Motto „Leere Sockel“ zu sehen, die auf gestohlene Kunstwerke aufmerksam machen sollen.
Für das Programm „Draußenstadt“ stehen für das Jahr 2021 rund 12.500 Euro zur Verfügung, mit dem Stadtplätze bespielt werden sollen, so Flader.
Politisches Personal bringt sich in Stellung
Wer von den derzeit fünf Stadträten nach den Wahlen Ende September noch im Amt sein werden, bleibt abzuwarten. Das politische Personal in den Bezirken kann dann seine Arbeit auf sechs Stadträte verteilen, das hat das Abgeordnetenhaus beschlossen. Oliver Igel (SPD) will, wie gesagt, gern als Bürgermeister weitermachen. Ebenso sein Parteifreund Rainer Hölmer, der gern Stadtrat bleiben möchte. Es sei noch viel zu tun, was er erledigen wolle, sagte Hölmer. Doch ob der 60-Jährige, der seit 2006 Stadtrat ist, von seiner SPD wieder fürs Bezirksamt aufgestellt wird, ist ungewiss, die Nominierung ist noch nicht erfolgt.
Klar dagegen ist, dass der Linkenpolitiker Gernot Klemm, der seit 20012 als Stadtrat arbeitet, nicht weitermacht. Seinen Verzicht hatte er bereits vor Wochen kundgetan. Bei den Linken gibt es auch die größte Überraschung: Am kommenden Sonnabend, Wochen vor den restlichen Kandidaten, soll Ines Feierabend zur Kandidatin für das Bürgermeisteramt in Treptow-Köpenick nominiert werden. Die heute 56-Jährige war bereits von 2006 bis 2014 Stadträtin in Treptow-Köpenick, ehe sie zur Gesundheits-Staatssekretärin ins Ramelow-Kabinett nach Erfurt geholt wurde. Dort ist sie gerade verantwortlich für die Thüringer Corona-Politik – was durchaus ein Handicap für den bevorstehenden Wahlkampf sein kann, wie Parteifreunde befürchten: Wie sich die wichtige Arbeit in Thüringen mit dem Wahlkampf in Berlin vereinbaren lässt, das fragen sich einige.
Die CDU hat ihre Kandidaten für das Bezirksparlament bereits bestimmt. Cornelia Flader ist nicht dabei. Als Spitzenkandidat für die BVV-Liste wurde der frühere Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesumweltminister, Bertram Wieczorek nominiert. Platz 2 nimmt Ralph Korbus ein, der bereits in der aktuellen CDU-Fraktion sitzt.
Die Grünen im Bezirk wollen erst im April ihre Liste aufstellen.
Auch die AfD hat ihr politisches Personal für den Bezirk bestimmt. Auf der 20 Kandidaten umfassenden BVV-Liste findet sich auch der derzeitige Stadtrat Bernd Geschanowski. Allerdings geschah die Nominierung nicht ohne Nebenwirkungen: Weil sie sich an unteren Listenplätzen ohne große Chancen auf eine Wiederwahl vorfanden, traten drei Verordnete aus der aktuelle AfD-Fraktion aus.