Kreativität und Tatendrang sind ihm nicht abzusprechen: Matthias Große, seit 2014 Eigentümer des Müggelturm-Areals in den Müggelbergen, hat nicht nur in für Berliner Verhältnisse sensationell kurzer Zeit die beiden Restaurants nebst Sonnenterrassen am Ausflugsturm wieder aufgebaut. Trotz preisintensiver Angebote sind dort vor allem an Wochenenden freie Plätze rar. Jetzt will der Investor noch einen Turm bauen. Einen Turm neben dem Müggelturm.
Denn der Müggelturm, der seit 1961 in seiner heutigen Form in den Müggelbergen steht, ist ein Denkmal. Nichts darf an ihm verändert werden. Ein Außenfahrstuhl, wie von Große geplant, wurde von den Denkmalschutz-Experten abgelehnt. Die Behindertenbeauftragte des Bezirks Treptow-Köpenick setzte schließlich durch, dass man barrierefrei, mit Fahrstühlen, in die Restaurants und auf die Sonnenterrassen gelangt.
Von dort hat man in beide Richtungen Wasserblick – auf die Dahme und den Langen See im Südosten sowie auf den Müggelsee im Nordosten. Etliche Bäume im umliegenden Natur- und Landschaftsschutzgebiet der Müggelberge wurden eigens dafür gefällt oder gestutzt.
Der Bau der Aufzüge war nur deshalb möglich, weil die Restaurants neu gebaut wurden. Hätte es nur eine Sanierung bestehender Gebäude gegeben, wären sie wahrscheinlich – wie der Aufzug zum Müggelturm – verboten worden. Schließlich ist das gesamte rund 6.000 Quadratmeter großen Gelände in den naturgeschützten Müggelbergen denkmalgeschützt.
Barrierefreiheit als Druckmittel
„Viele Gäste bedauern, dass sie nicht auf den Turm kommen, den sie noch gut aus ihrer Jugendzeit kennen“, sagt Kerstin Jennes, die Marketing-Beauftragte von Matthias Große. Knapp die Hälfte der aktuellen Müggelturm-Besucher sei mobilitätseingeschränkt. Deshalb versuche man jetzt alles, um Barrierefreiheit bis nach ganz oben zu schaffen.
Der zweite Turm, von dessen Spitze aus ein gläserner Übergang zur Aussichtsplattform führen soll, ein sogenannter Sky-Walk, könne von der Terrasse aus gebaut werden, also auf eigenem Gelände. Barrierefreiheit, sagt Kerstin Jennes, sei ein wichtiges Anliegen in einer alternden Gesellschaft. Was also sei beim Müggelturm wichtiger, fragt sie:
„Dass er so bleibt wie er ist, wovon aber nur die Hälfte der Besucher etwas hat, oder dass er für alle nutzbar gemacht wird?“
Damit setzt Große die Verantwortlichen im Bezirk unter Druck. Denn die Schaffung von Barrierefreiheit gilt generell auch für Denkmale. Das Berliner Denkmalschutzgesetz wurde bereits im Jahr 1999 als damals erstes bundesdeutsches Denkmalschutzgesetz um den Absatz ergänzt, dass die Denkmalbehörden die Belange von Menschen mit Behinderung künftig zu berücksichtigen haben.
Dabei geht es nicht um einen schematischen Einbau von Aufzügen oder Rampen, sondern um Kreativität und Qualität. Schließlich sind Denkmale, egal ob Bau-, Boden- oder Gartendenkmale, einzigartige Zeugnisse der Bau- und Kulturgeschichte.
In einem Dokument beruft sich das Deutsche Nationalkomitee für Denkmalschutz, ein Gremium der Bundesregierung, auf eine entsprechende UN-Konvention. Diese fordert, die Teilhabe aller am kulturellen Leben „soweit wie möglich“ zu gewährleisten. Vor allem Gebäude, die der Daseinsvorsorge dienen, also Rathäuser, Schulen oder Schwimmbäder, müssen danach barrierefrei gemacht werden. Eine barrierefreie Burg, heißt es aber auch, sei Utopie. Denn das Wesen einer Burg bestehe ja gerade darin, möglichst viele Barrieren zu schaffen.
Um beim Beispiel Burg zu bleiben: Bei der touristischen Erschließung gelte es heute, den ursprünglichen Charakter nicht zu nivellieren. Barrierefreiheit müsse „angemessen“ gehandhabt werden. Was auch bedeuten könne, dass eine barrierefreie Erschließung „bis in die obersten Burgkammern“Â manchmal nicht möglich, nicht um jeden Preis zu haben sei. Soweit allgemein die Denkmalexperten des Bundes.
Angemessen und soweit wie möglich
Nach diesen Kriterien müssen jetzt die Verantwortlichen in Treptow-Köpenick über die Pläne des Müggelturm-Besitzers urteilen. Doch bislang ist dies gar nicht möglich.
Denn Großes Pläne sind im Rathaus noch nicht offiziell bekannt!
Der Investor hat sie bislang nur über diverse Zeitungen und bei einem Besuchertreffen im Turmrestaurant vorgestellt. Auch den damaligen Architekten des Müggelturms, inzwischen 87 Jahre alt, hat er mit Überzeugungskraft auf seine Seite gebracht. Entsprechend genervt reagiert man im Bezirksamt auf Anfragen, wie man es dort mit der Planung halte. Bislang kenne man im Bezirksamt nur die in der Presse veröffentlichten Bilder, heißt es in einer ungewohnt schroffen Erklärung. Es lägen keinerlei Baupläne im Entwurfsstadium, geschweige denn ein konkreter Bauantrag vor.
Grundsätzlich könne das Bezirksamt Bauvorhaben nur anhand von belastbaren Planungsunterlagen beurteilen.
Die barrierefreie Erschließung von möglichst vielen Orten im Bezirk sei ein wichtiges Ziel des Bezirksamtes. Sie könne aber nur unter Beachtung anderer öffentlicher Belange umgesetzt werden. Anhand einiger weniger Computersimulationen könne diese städtebauliche, denkmal- und naturschutzrechtliche Herausforderung nicht beurteilt werden.
„Ob oder wie eine barrierearme Erschließung möglich ist, das müssen Fachleute sagen.“
Der Müggelturm sei ein touristisches Highlight Berlins und sollte daher barrierearm sein, zumal der Eigentümer die entsprechenden Kosten übernehmen wolle. Dies hatte Große zugesichert; für den Bau des Zwillingsturms veranschlagt der Untenehmer eine höhere sechsstellige Summe.
Dass Große vor allem über die Öffentlichkeit Druck auf die Entscheidungsträger macht, ärgert vor allem den Kooperationspartner der SPD. Uwe Doering von den Linken sagt, es würden zwar öffentlich Vorschläge und Entwürfe diskutiert und von der Politik verlangt, dass sie sich positioniere.
„Aber es gibt gar keine Grundlage, auf der wir uns verhalten können.“
Dazu müsse Matthias Große erst mal mit den zuständigen Ämtern kommunizieren und entsprechende Anträge stellen. Mit einem positiven Bescheid der Denkmalbehörden rechne man nicht, so Doering. Aber mit dem Antrag wolle man schlicht ein Signal senden: Es soll deutlich werden, dass der Gedanke eines barrierearmen Zugangs zum Müggelturm unterstützt wird.
Eine Bar im Zwillingsturm?
Die Grünen in der BVV lehnen den Antrag von SPD und Linken ab. Nicht, weil sie gegen Barrierefreiheit wären, wie Fraktionschef Jacob Zellmer sagt: „Wir können aber nichts pauschal unterstützen, von dem wir gar nicht wissen, was es ist und ob es realisierbar ist.“ Es werde ein falsches Signal ausgesendet:
„Der Investor meint, wer am lautesten schreit, bekommt, was er will.“
Man dürfe sich aber nicht von Skizzen und Photoshop-Bildchen treiben lassen, sondern müsse anhand von Fakten urteilen. Der Müggelturm im sensiblen Waldgebiet der Müggelberge, so Zellmer, dürfe zudem nicht zum touristischen Hotspot mit Besuchermassen werden, möglicherweise gar mit noch einem Restaurant ganz oben im zweiten Turm.
Ein solches Restaurant sei gar nicht geplant, heißt es im Büro von Matthias Große. Zwar wäre die Idee einer solchen „Sky-Bar“ im Zwillingsturm eine „Eins-A-Idee für Köpenick“, so die Marketing-Beauftragte Kerstin Jennes.
Aber wahrscheinlich würde der Platz dafür gar nicht ausreichen: Das Rangieren von Rollstühlen, Rollatoren und Kinderwagen nehme erheblichen Raum ein. Und überhaupt: Man sei mit den konkreten Planungen noch gar nicht so weit. Derzeit arbeiten die Architekten an den Bauunterlagen für den Zwillingsturm. Jennes: „Damit die Verantwortlichen im Bezirksamt was zum Ansehen haben.“