Was die Berlinerin mag, ist hingegen das wirkliche Leben in ihrem Kreuzberger Kiez, die Vielfalt, das bunte Neben- und das entspannte Miteinander. Sie schätzt die noch vorhandene Durchmischung von kulturellen und sozialen Milieus, in denen einer dem anderen genügend Raum zum Atmen lässt.
Umso hellhöriger wird sie, wenn Quartiersmanager auftauchen und von Aufwertungspotenzial phantasieren. Wo so etwas endet, konnte Dota in Sao Paulo erleben, einer Großstadt am Abgrund, in der sich eine dünne Oberschicht in luxuriösen Ghettos hinter Elektrozäunen verschanzt, um die Realität der Straße nicht mehr in den Blick nehmen zu müssen.
Dota kam dennoch nicht mit leeren Händen aus Brasilien. Dank der Musik von Chico Braque, Antônio Carlos Jobim und João Gilberto hatte sie ein völlig neues Lebensgefühl im Gepäck, das wunderbar mit ihren eigenen musikalischen Vorstellungen harmonierte. Als Straßenmusikerin war sie ausgiebig in der weiten Welt unterwegs gewesen, interessiert an Fremdem und offen für Neues. Als „Kleingeldprinzessin“ fühlt sie sich seit diesen Tagen treffend charakterisiert.
Im Jahre 2003 verbündete sich Dota Kehr mit drei Gleichgesinnten. Seither sind Dota und die Stadtpiraten gemeinsam auf Tour. Ihrem Debütalbum »Die Kleingeldprinzessin« folgten bis heute acht weitere. Ihre Lieder komponiert sie selber und ihre Texte schreibt sie mit spitzer Feder und wachem Verstand. Um den Vertrieb ihrer Musik kümmert sie sich ebenfalls, denn die Selbstbestimmung über ihre künstlerische Arbeit ist ihr wichtig. So macht Dota Kehr sehr vieles, doch eines macht sie nicht – einen Bogen um die relevanten Themen unserer Zeit.
Ich erkläre meine Steuer,
und sie erklärt sich mir nicht,
in Brüssel sitzt ein Ungeheuer,
das in Rätseln zu mir spricht,
ich versteh hier soviel:
Geld ist Tyrannei,
es geht nicht um ein Stück vom Kuchen,
es geht um die ganze Bäckerei!
Mit Liedern wie »Utopie« stellt sich Dota selbstbewusst und musikalisch auf Höhe der Zeit in die durchaus große Tradition linker Liedermacher, um die es hierzulande in den letzten Jahren nahezu totenstill geworden ist.
Ungefragt und nachdrücklich bezog die Künstlerin auch zu brisanten Themen, wie zur Privatisierung der Berliner Wasserbetriebe oder zum falschen Flughafenstandort in Schönefeld, eine klare Position. Mit ihrem neuesten Lied »Du kannst geh‘n, Wowereit« lieferte sie bereits vor dem finalen BER-Desaster auf einer Friedrichshagener Montagsdemonstration eine präzise Zustandsbeschreibung der gegenwärtigen Berliner Verhältnisse.
Du willst Glamour, was ist los? Schau doch mal hin
Wir glitzern alle, hier unten, wir sind Berlin
reiß die Startbahn wieder ein
und versteck sie
Mediaspree ist Größenwahn
Diese Stadt hat so viel Charme
ohne Dich, Du bist arm
wir sind sexy!