Knackpunkt Wasser

Anwohner von Grünheide, Umweltverbände und selbst offizielle Wasserversorger halten den Standort für das Tesla-Werk für ungeeignet. Sie sehen die Trink- und Abwasserversorgung der Region gefährdet. Betroffen wird auch Berlin sein. Bis zum 5. März sind Einwände gegen das Projekt möglich.
Erstveröffentlichung am 31.01.2020
„Das geht gar nicht!“, sagt Steffen Schorcht und zeigt auf den Lageplan. Auf dem Papier ist der Standort für das geplante Tesla-Werk nahe Grünheide eingezeichnet. Das US-Unternehmen des Milliardärs Elon Musk will auf einem 300 Hektar großen Areal an der Autobahnabfahrt Freienbrink jährlich 500.000 Elektroautos produzieren.
Steffen Schorcht
Steffen Schorcht, Mitglied im Vorstand des Ortsvereins Karutzhöhe /// Foto: Matthias Vorbau

Der Kaufvertrag mit dem Land Brandenburg ist notariell beurkundet, erste vorbereitende Arbeiten im Kiefernforst laufen. Und obwohl zunächst nur ein Drittel der vollen Betriebs-Kapazität gebaut werden soll, gibt es erhebliche Bedenken gegen das Projekt. Und die kommen nicht nur von den üblichen Nörglern, die generell gegen alles Neue in ihrer Nachbarschaft sind. Ausgewiesene Experten fürchten negative Auswirkungen auf die Region. Verkehr, Naturschutz, vor allem aber die Wasserversorgung treiben sie um.

Steffen Schorcht lebt seit 25 Jahren in Karutzhöhe, einem Ortsteil von Erkner. Der 59-Jährige ist Mitglied im Vorstand des Ortsvereins Karutzhöhe, der in einer Bürgerinitiative gegen die Tesla-Ansiedlung mitwirkt. Man könnte Schorcht als Glücksfall für die Projekt-Gegner bezeichnen – weil er als Ingenieur kenntnisreich und objektiv mit Fakten argumentiert.

Diffuse Anti-Stimmungen und Meckereien, die man Bürgerinitiativen oft nachsagt, sind seine Sache nicht. Objektiv berichtet er dann auch von einem ersten Treffen zwischen Gegnern des Projekts und Tesla-Vertretern: Es sei ein sehr guter Austausch gewesen, Tesla habe gute Lösungsansätze für Probleme präsentiert. Bei einem Thema seien die Tesla-Leute aber ziemlich überrascht gewesen: beim Thema Wasser.


Als Wasserschutzgebiet erst 2019 festgesetzt

„Das wird der Knackpunkt für das gesamte Projekt“, sagt Schorcht und zeigt wieder auf den Lageplan. Daraus geht hervor, dass Teile des geplanten Autowerks im Wasserschutzgebiet liegen, der erste Abschnitt sogar komplett in der Schutzzone 3A. „Das geht gar nicht“, wiederholt der 59-Jährige.

Das Wasserschutzgebiet war erst im März vorigen Jahres neu festgesetzt worden. Ausgeschlossen sind dort nicht nur der Bau neuer Brunnen, von neuen Straßen, Bahnhöfen und Wohngebieten. Auch Industrieanlagen und Rohrleitungen sind laut dem Gesetz- und Verordnungsblatt , das am 2. April 2019 veröffentlicht wurde, explizit verboten. „Es wird den Bürgern nicht zu vermitteln sein,“, sagt Schorcht, „dass Landwirte ihren Weidetieren dort kein Futter von außerhalb geben dürfen, aber eine Fabrik mit Kraftwerk sowie mit Gefahrgütern aus Gießerei und Lackiererei genehmigt wird.“

Dass das Gelände, auf dem Tesla plant, per Gesetz geschützt ist, sei den Tesla-Vertretern beim Gespräch offenkundig nicht bewusst gewesen. Nicht nur die Gesetzeslage habe die Abgesandten von Tesla-Gründer Elon Musk überrascht. Auch über Probleme bei der Wasserver- und Entsorgung seien sie im Detail nicht informiert gewesen.

Selbst der zuständige Wasserverband Strausberg-Erkner hatte jüngst erklärt, dass „weder die Trinkwasserversorgung noch die Schmutzwasserentsorgung in dem von Tesla gewünschten Zeitrahmen gewährleistet werden“ kann. Dies gelte bereits für die erste Ausbaustufe.

Und wenn „ein anderer Antragsteller“ als der zuständige Wasserversorger zusätzliches Grundwasser aus neuen Brunnen fördere, sei die öffentliche Trinkwasserversorgung gefährdet. Entsprechende Hinweise, die man von Anfang an gegeben habe, seien von den zuständigen Behörden jedoch nicht ernst genommen worden, heißt es. Auch Steffen Schorcht sieht hier ein Versagen der Landesregierung: Man habe den Investor mit Flughafen-Nähe, mit Bahn- und Autobahnanschluss gelockt, das Thema Wasser sei „runtergespielt“ worden.

Dass die Region Berlin-Brandenburg zwar gewässerreich, aber wasserarm ist, wusste nicht erst der langjährige Präsident des Landesumweltamtes in Brandenburg, Matthias Freude. Zwar erstrecken sich zahlreiche Feuchtgebiete entlang des Berliner Urstromtals. Aber wenn in der Region seit Jahren nur halb so viel Regen fällt wie in München oder Hamburg und ein trockenes Jahr aufs nächste folgt, sinken nicht nur die Grundwasserpegel und für alle sichtbar die Wasserstände in umliegenden Gewässern. Auch Moore trocknen aus und in Gegenden, wo Bäume gefällt werden oder verbrennen, versiegen die Wasserspeicher.

Schon jetzt ist der Pegel des Straussees sichtbar niedriger als vor zwei Jahren. Auch am bis zu sieben Meter tiefen Störitzsee, der ebenso ausschließlich von Grundwasser gespeist wird, sinkt der Wasserspiegel. Am dortigen Ufer befindet sich neben mehreren Badestellen auch ein 18 Hektar großes internationales Familien- und Jugendcamp. Man kann dort wohnen, an Bildungs- und Sportveranstaltungen teilnehmen oder sich einfach nur erholen. Fürchtet man beim Betreiber, der Störitzland Betriebsgesellschaft mbH, Auswirkungen auf das Geschäft durch die Tesla-Ansiedlung? „Wir äußern uns nicht zum Thema Tesla“, heißt es knapp aus dem Büro des Unternehmens in Grünheide.


Elon Musk twittert

Offenkundig haben die Probleme ums Wasser jetzt auch den Tesla-Chef Elon Musk erreicht. Im Kurznachrichtendienst Twitter teilte Musk mit, man werde nicht so viel Wasser zur nötigen Kühlung der Aluminium-Karosserien verbrauchen wie befürchtet.

In den Antragsunterlagen hat das Unternehmen angegeben, dass pro Stunde 372 Kubikmeter Wasser aus dem öffentlichen Trinkwassernetz benötigt werden. Allerdings werde Tesla nicht an jedem Tag so viel Wasser verbrauchen, schreibt Musk nun. „Das ist möglicherweise ein seltener Fall einer Spitzennutzung, aber nichts, was jeden Tag vorkommt.“ Die Tesla-Vertreter hätten bei dem Gespräch mit den Umwelt- und Bürgerinitiativen auf eine mögliche Luftkühlung verwiesen und zu verstehen gegeben, dass nur soviel produziert werden könne, wie Wasser da sei, sagt Steffen Schorcht. Und wenn das Wasser, das ohnehin knapp ist, nicht reicht? „Dann kann das Werk dort nicht gebaut werden, hieß es von den Tesla-Leuten“, sagt Schorcht.


Auch Abwasser-Kapazitäten reichen nicht

Auch das Problem mit dem Abwasser ist bislang ungelöst. Das für das Tesla-Gelände zuständige Klärwerk in Münchehofe ist bereits jetzt an der Kapazitätsgrenze. Je zur Hälfte wird dort Wasser aus Brandenburg und Berlin gereinigt. Bei den Berliner Wasserbetrieben, die dafür zuständig sind, will man sich öffentlich nicht zum Thema Tesla äußern. Nur soviel sagt ihr Sprecher Stephan Natz:

„Wir sind in die Gespräche zwischen Behörden und Verbänden Brandenburgs einbezogen und gucken, ob die Berliner Wasserbetriebe zur Lösung beitragen können.“

Inzwischen haben sich Vertreter der Berliner Wasserbetriebe und von Tesla erstmals getroffen. Möglich wäre sicherlich eine Erweiterung von Münchehofe, auch der Neubau eines Klärwerks – wo auch immer – wird nach Aussage von Experten diskutiert. Doch weder das Eine noch das Andere wird in der kurzen Zeit möglich sein, mit der Tesla plant. Das Unternehmen will bereits kommendes Jahr 500.000 Autos bei Grünheide produzieren.

In den Tesla-Unterlagen wird das Werk jedenfalls als umweltverträglich bezeichnet, nur in der Phase des Aufbaus könnten „mäßige Belastungen“ auftreten. Umweltverträglich? 463 LKW sollen täglich Nachschub ins Werk bringen, vom Toilettenpapier bis zu Aluminiumblechen und -blöcken, die zur Autofertigung benötigt werden. Sechs volle Züge mit fertigen E-Autos der Tesla-Modelle 3 und Y sollen das Werksgelände täglich verlassen.

Tesla rechnet zudem mit gut 2.800 Fahrzeugen, mit denen pro Schicht seine Mitarbeiter in den Betrieb kommen, und das dreimal innerhalb von 24 Stunden. Aus den Unterlagen, die 2.000 Seiten umfassen, geht auch hervor, dass die Wärme für die geplante Gießerei aus einem eigenen Gaskraftwerk auf dem Fabrikgelände kommen soll.

Bisher hatte es stets geheißen, dass die Autofabrik ausschließlich mit erneuerbaren Energien betrieben werde. Und Wasser, so heißt es jetzt, könne auch von woanders her über Rohrleitungen zum Werk transportiert werden. „Aber auch die umliegenden Wasserversorger, etwa in Berlin-Friedrichshagen, Fürstenwalde oder Wernsdorf, haben wegen der anhaltenden Trockenheit schon jetzt Probleme“, sagt Steffen Schorcht.

Von Seiten der Landesregierung in Potsdam heißt es derzeit nur, dass das Verfahren zur Umweltverträglichkeit laufe. Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) hat jüngst bei einem Treffen mit Anwohnern gesagt, mögliche Investitionskosten für eine Wasserbeschaffung würden nicht auf die Bürger umgelegt. Steffen Schorcht entgegnet:

„Wenn das Land Fördermittel etwa für den Neubau einer Kläranlage beantragt, muss auch Geld aus dem Landeshaushalt aufgebracht werden. Also würden die Steuerzahler doch belastet.“


Wald mit geringem Wert

Laut Tesla-Planung sollen für die erste Ausbaustufe bis Ende Februar gut 90 Hektar Wald gerodet werden. Für die gesamte Fabrik sollen es dann 153 Hektar sein. Von den Behörden und auch von Elon Musk wird immer wieder darauf verwiesen, dass das Gelände offiziell als Gewerbegebiet ausgewiesen ist

Tatsächlich wurde die Fläche im Jahr 2001, als BMW im Osten ein Areal für seine Autofabrik suchte, aus dem umliegenden Landschaftsschutzgebiet Löcknitztal herausgelöst und als Ort für eine Industrieansiedlung benannt. Nachdem sich BMW für Leipzig entschied, sollte das Gelände wieder ins Schutzgebiet eingegliedert werden. Doch das ist nie geschehen. Deshalb gilt das Areal, das hauptsächlich mit Kiefern bestückt ist, die als Bauholz angepflanzt wurden, noch immer als Gewerbefläche.

Der Wert des Waldes wird von Tesla als gering eingestuft. Lediglich einige Moose gelten als schützenswert, heißt es in den Unterlagen. Zudem wird vermutet, dass in hohlen Stämmen Fledermäuse überwintern. Sie sollen vor der Rodung geborgen werden, ebenso Waldameisen und Eidechsen, die ab April umgesetzt werden sollen. Auf der gesamten Fläche sind laut den Unterlagen keine schützenswerten Biotope – das nächste ist ein Pfeifengras-Kiefern-Moorwald, 340 Meter nordöstlich des Areals.

Dass Tesla eine Fläche wieder aufforsten wird, die dreimal so groß ist wie die für das Werk, macht die Anwohner auch nicht so richtig froh. Es sei gut, dass sich das Unternehmen Mühe gebe, sein Öko-Image zu pflegen, heißt es. Aber wenn der Wald vor Ort erst mal weg ist, verschwindet dort auch ein wichtiger Wasserspeicher sowie eine Frischluftschneise, die bis Berlin wirke.


Verkehrsprobleme ungelöst

Auch die Verkehrsprobleme sind noch ungelöst. Für die Masse an Lkw und Pkw, die täglich zur und aus der Fabrik rollen sollen, sind die umliegenden Straßen und Autobahnen nicht ausgelegt. Eine neue Autobahn-Abfahrt zum Werk, die im Gespräch ist, würde mindestens drei Jahre dauern. „Ein Rückstau auf der A10 bis Berlin ist wahrscheinlich“, sagt Steffen Schorcht.

Das einfachste ist seiner Auffassung nach der Ausbau der Bahnverbindung. Bisher hält ein Zug pro Stunde am Bahnhof Fangschleuse. Ohne größere Probleme könnte dies auf zwei Züge erweitert werden, perspektivisch sollen drei Züge pro Stunde in Erkner halten. Doch auch hier liegt das Problem im Detail, wie Steffen Schorcht sagt:

„Der Ausbau des Schienennetzes in Berlin hinkt dem Bedarf hinterher.“

Berlin sei ein Nadelöhr vor allem für den Güterverkehr, was auch Auswirkungen auf die Tesla-Produktion habe.

Für den 18. März ist der Erörterungstermin zur Umweltverträglichkeitsprüfung angesetzt. Ob der eine Tag ausreichen wird, um alle Probleme zu klären, darf bezweifelt werden. Gemeinsam mit Naturschutzverbänden wie BUND, Nabu und Grüner Liga bereiten sich der Ortsverein Karutzhöhe und die Bürgerinitiative in Grünheide gründlich vor.

Vor allem die langfristigen Auswirkungen auf das regionale Klima durch die großflächigen Rodungen, die Auswirkungen auf die Biodiversität wegen zusätzlicher Entnahme von Grundwasser sowie die Auswirkungen auf die Lebensräume geschützter Arten sind Themen, die zur Sprache kommen sollen.

Steffen Schorcht fordert auch die Berliner dazu auf, die Unterlagen zu Tesla zu studieren und Einwände abzugeben. „Nicht nur wir Brandenburger sind betroffen, auch Berliner, die durch das größte Wasserwerk der Stadt in Friedrichshagen versorgt werden, sollten sich positionieren.“

Ausgelegt sind die Tesla-Unterlagen noch bis zum 5. März in den Rathäusern von Grünheide, Erkner, Frankfurt (Oder) sowie im Amt Spreenhagen.


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