Mehr muss man nicht wissen

Ministerin Julia Klöckner von der CDU erklärt der Treptow-Köpenicker Basis die große Politik /// Risse in der Brandmauer nach rechts
Erstveröffentlichung am 18.12.2019
Nein, die CDU im Südosten Berlins hat kein Glück mit der Politik. Zumindest nicht mit Parteifreunden aus der Bundesregierung. Von der kommt einmal im Jahr jemand nach Treptow-Köpenick und erklärt den Parteifreunden an der Basis, wie große Politik funktioniert. Doch nach diesem „Event“, wie CDU-Kreischef Maik Penn die Veranstaltung nennt, rauschen die Beliebtheitswerte der hohen Gäste in den Keller. Das war im vorigen Jahr so und ist dieses Jahr nicht anders.
Hartes Plätzchen oder weicher Keks?
Hartes Plätzchen oder weicher Keks? /// Foto: M. Vorbau
Im vergangenen Jahr war Annegret Kramp-Karrenbauer zu Gast. Die forsche Saarländerin wurde danach zwar CDU-Chefin und Verteidigungsministerin, erntete dann aber viel Unmut wegen ihres oft unglücklichen Agierens. Im jüngsten Spiegel-Monitor, der alljährlich anhand von 20.000 Umfragen quer durch die Republik die Beliebtheit der Regierungsmannschaft erforscht, findet sich Kramp-Karrenbauer ziemlich weit unten auf der Skala wieder. Noch weiter unten ist die diesjährige CDU-Besucherin in Treptow-Köpenick gelandet, und das schon vor ihrem Besuch: Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner gilt – gemeinsam mit ihrem Parteifreund, dem Wirtschaftsminister Peter Altmaier – laut Spiegel-Scoring gar als „Absteigerin des Jahres“. Wer sie jüngst in Adlershof erlebt hat, kann in etwa ermessen, warum das so ist.

Apokalypse und Angstmacherei

Gesundes Essen und gesunde Umwelt sind naturgemäß die großen Themen von Julia Klöckner, die ihr Ministerium auch gern als „Lebensministerium“ bezeichnet. Vor den Parteifreunden, die nach Adlershof gekommen sind, versucht sie zu punkten – vor allem mit scharf oder charmant vorgetragenen Angriffen. Auf die SPD („Wenn die SPD die Große Koalition verlassen möchte, dann lassen wir sie gehen.“). Auf die Linken und Grünen (Linke wollten immer nur Verbots-Gesetze und Grüne moralisierten gern). Auf die allgemeine Debattenkultur und problematische Tonalitäten (Alles, was nicht links sei von der Mitte, werde als rechtsextrem angesehen). Und auf Nichtregierungs-Organisationen wie Naturschutzverbände ( NGO´s verdienten Geld mit Apokaypse und Angstmacherei).
„Wenn die SPD die Große Koalition verlassen möchte, dann lassen wir sie gehen.“
Angriff als beste Art der Verteidigung also. Denn Klöckner hat viele Kritiker, außer an diesem Abend in Treptow-Köpenick. Niemand der etwa 80 meist älteren Gäste ist so unhöflich und erwähnt beispielsweise den gemeinsamen Video-Auftritt der Ministerin mit dem Nestlé-Chef im Sommer dieses Jahres. In dem Video hatte Klöckner den Konzern hoch gelobt, weil dieser weniger Zucker und Fett verwenden will und so zu gesundem Essen und allgemein zu gesunder Umwelt betrage. Dass sie für ihr Lob ausgerechnete Nestlé auswählte, ein Unternehmen, das wegen seiner globalen Rolle bei Umweltverschmutzung und bei der Ausbeutung von Wasservorräten weltweit in der Kritik steht, verärgerte viele Menschen. Auch ein Grund ihres schlechten Abschneidens beim Regierungs-Ranking.

Tierwohl und billige Lebensmittel

Julia Klöckner teilt sichtlich gern aus: Es wäre schön, sagt sie zum Beispiel in Adlershof, wenn alle Leute, denen das Tierwohl am Herzen liege, auch entsprechend einkaufen würden. Viele hätten zwar hohe Vorstellungen vom Tierwohl, kauften aber gern billiges Fleisch. Den schüchteren Einwurf eines Parteifreundes aus dem Publikum, dass arme Menschen, die 40 bis 60 Prozent ihres Einkommens für hohe Mieten ausgeben müssten, froh seien über billige Lebensmittel, wischte die Ministerin beiseite: Wenn es denn so wäre mit der Armut, „hätten wir in Deutschland nicht doppelt so viele Handys wie Einwohner“. Viele Menschen gäben massig Geld aus für Autos oder Handys, aber Lebensmittel müssten billig sein. Punkt. Wäre das Thema also erledigt. Dass in Deutschland, in dem wir laut CDU-Slogan „gut und gerne leben“, laut jüngster Berechnung von Wohlfahrtsverbänden 15 Prozent der Menschen als arm gelten? Kein Thema für die CDU an diesem Abend.
„Wer Medizin verbietet, kriegt die Krankheit nicht weg.“
Und wie sich Tierwohl mit Massentierhaltung verträgt, damit, dass die Ministerin die Frist für die betäubungslose Kastration von Ferkeln verlängert hat, das Schreddern von männlichen Küken weiter erlaubt und die zu engen Einzelkäfige für Sauen, die eigentlich verboten sind, legalisieren will, wird auch nicht angesprochen. Pure Höflichkeit, Desinteresse oder einfach kein Thema in einer Großstadt? Jedenfalls sprach Klöckner immer wieder davon, dass Landwirtschaft nicht romantisiert werden dürfe, sondern realistisch gesehen werden müsse. Also weiter mit der Massentierhaltung, weiter mit dem Einsatz von Glyphosat! Die Nutzung des Pestizids soll offiziell zwar minimiert werden, laut EU ist Ende 2022 der Ausstieg geplant. Doch wurde jetzt bekannt, dass hierzulande die Zulassungen erst mal unverändert weiter laufen – das zuständige Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit habe es nicht geschafft, die Anträge der Hersteller fristgerecht zu prüfen, heißt es. Und weil der Wirtschaft kein Nachteil entstehen dürfe, darf weiter flächendeckend gesprüht und so nicht nur Unkraut und Ungeziefer vernichtet werden. Julia Klöckners Kommentar zum Thema Pflanzenschutz beziehungsweise Pflanzenvernichtungsmitteln: „Wer Medizin verbietet, kriegt die Krankheit nicht weg.“ Punkt. Wäre das auch das erledigt.

Fridays for future als „Rumkrakeeler“

Klöckner kann aber auch charmant. Der ehemalige CDU-Kreischef und heutige Ehrenvorsitzende der Partei in Treptow-Köpenick, Fritz Niedergesäß (79), fragt die Ministerin aufgebracht: „Wieso lassen wir es uns bieten, dass Fridays for future uns Alten vorwirft, wir würden ihnen die Zukunft kaputt machen?“ Die Jugendlichen, die freitags auf den Straßen „rumkrakeelen“, hätten , so der gelernte Bauingenieur und Ex-Funktionär, alle Handys, würden von ihren Eltern zur Schule gefahren und flögen durch die Welt.
„Seien Sie gut zur Jugend, die zahlt Ihre Rente und die Ärzte, die Sie benötigen.“
Klöckner lächelt den weißhaarigen Mann milde an und entgegnet: Man müsse ehrlich sein und offen sagen, dass es der heutigen Rentnergeneration so gut gehe wie wohl keiner weiteren danach. Und auch: „So wie wir heute leben, leben wir auf Verbrauch.“ Und endet mit einer sanften Ermahnung, ganz im Stil einer verständnisvollen Krankenschwester: „Seien Sie gut zur Jugend, die zahlt Ihre Rente und die Ärzte, die Sie benötigen.“

Koalition mit der AfD?

Es geht dann auch noch um Politik jenseits von Lebensmitteln und Umweltzerstörung. Einer der jüngeren Besucher fordert, die CDU solle sich der AfD annähern. In der nächsten Koalition, die wohl eine mit den Grünen sein werde, würde sich die CDU sonst zerreiben und schließlich enden wie heute die SPD. „Mit der AfD können wir eine Koalition der Mitte bilden, vor allem im Osten. Wir sollten den Popanz AfD endlich abbauen.“ In das allgemeine Gemurmel der anderen Besucher hinein verneint Julia Klöckner: Die AfD sei keine Alternative für die CDU, eine Koalition der Mitte sei mit dieser Partei unmöglich. Das Menschenbild der AfD sei höchst problematisch, das erlebe sie regelmäßig im Bundestag. Und im Übrigen, so Klöckner, nutzten Rechte und Linke ähnliche Instrumente, um Ängste in der Bevölkerung zu schüren.
„Mit der AfD können wir eine Koalition der Mitte bilden, vor allem im Osten. Wir sollten den Popanz AfD endlich abbauen.“
Mehr muss man eigentlich nicht wissen über die CDU. Die angesichts gestiegener Gewalttaten von Rechtsextremisten in Berlin einen Aktionsplan gegen linke Gewalt fordert und zugleich in ihren Reihen Mitglieder duldet, die sich vor elf Jahren in einem Video mit Hakenkreuz und Nazisprüchen präsentierten. Und deren Jugendableger jüngst seine Weihnachtsfeier unter das Motto stellte „Schlager gegen Links“.

Wen lädt der Kreisverband wohl nächstes Jahr ein?

Vielleicht Verkehrsminister Andi Scheuer, der dieses Jahr wohl keine Zeit hatte, weil er Maut-Dokumente als geheim einstufen musste. Scheuer ist zwar von der CSU, aber man ist ja gut verschwägert, das passt schon. Zumindest kann dieser Minister im Regierungsranking nicht weiter abstürzen. Er liegt bereits auf dem letzten Platz.

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