Da ist was dran; bis auf das mit den Drogen, dem Computer, der Zukunft, den Nudeln und der Halfpipe. Die Jugend heutzutage ist eine andere, genau wie die Jugend vor zwanzig Jahren oder vor vierzig Jahren oder vor einhundert Jahren. Die Unterschiede zwischen den Generationen werden durch die immer schnellere Entwicklung der Gesellschaft immer größer – dadurch hat Jugendarbeit einen ganz anderen Stellenwert bekommen. Jens Werner betreibt diese ominöse Jugendarbeit. Er holt – wie man im Volksmund so schön sagt – die Kids von der Straße. Dann baut er mit ihnen zusammen eine eigene Straße, auf der sie dann wieder spielen können.
So ungefähr funktioniert sein Mellowpark. Er selbst hat vor 15 Jahren als Jugendlicher den Mellowpark und gemeinnützigen Verein all eins e.V. dahinter mit aufgebaut – erst im Allende-Viertel, dann in der Friedrichshagener Straße und nun zum dritten Mal in der Wuhlheide. Am alten Standort werden in Zukunft Wohnungen gebaut, doch mit Unterstützung des Abgeordnetenhauses von Berlin und dem Bezirk hat der Mellowpark seinen neuen Standort bekommen. Aus einem gefühlten Rauswurf wurde eine Beehrung. Der all eins e.V. hat einen Zehnjahresvertrag zur Nutzung des Sportgeländes am Spreeufer bekommen – mietfrei für Jugendarbeit und Sport. Der Umzug ist bereits so gut wie geschehen, alle Rampen, Basketballkörbe, Tore, Netze, so ziemlich jedes Stückchen Holz ist von alt nach neu gewandert. Es sieht noch aus wie eine riesige Baustelle. Das ist es auch noch, aber eine an der nicht steht „Eltern haften für ihre Kinder“ sondern endlich eine, auf der sich die Jugendlichen austoben können – und noch viel wichtiger, eine auf der sie mitbauen können.
Jugendarbeit ergibt sich nicht aus der Addition von Fläche, Jugendlichen und „Hier habta ‚nen Ball! Macht nich so dolle!“ Der Mellowpark wird immer eine Baustelle sein. Die Kids wollen ein Jugendzentrum nach ihren eigenen Vorstellungen – dann sollen sie auch die Chance bekommen es selbst zu gestalten. Die Rampen zum Skaten haben die Skater selber gebaut, die Anfänger zusammen mit den Profis. So hat man nicht nur das Skatebord in der Hand und die Stunts im Kopf, sondern auch die Säge in der Hand und Materialstärken und Radien im Kopf. Da wollen die Spaß haben und kriegen dabei doch heimlich was beigebracht – wenn die das wüssten! Aber sie wissen es, genau darum kommen sie auch wieder. Dadurch ist es nicht der Mellowpark von Jens Werner, vom Bezirk oder vom all eins e.V., es ist der Mellowpark von jedem, der auch nur eine Schraube mal gedreht hat. Das bindet, aber verbindet auch. Hier wird gelernt Ideen auszuspinnen, kreativ umzusetzen, im Team zu arbeiten und am Ende sich an der eigenen Arbeit zu erfreuen. Das ist aber nicht das Muss. Wer will, kommt einfach nur zum Kicken, Taggen oder Chillen vorbei (übersetzt in Altdeutsch: Fußballspielen, Graffiti sprühen oder Entspannen). Es geht um das, was Jugendliche wollen: meist alles und gleichzeitig nichts.
Dahinter steckt viel Arbeit, viel Engagement, viel Begeisterung und viel Durchhaltevermögen. Denn trotz der Zuwendungen seitens des Bezirkes braucht der größte Skaterpark Europas zusätzliche Mittel, um das alles zu ermöglichen. Drittmittel sind dabei eine Stütze für das Projekt, vor allem das Sponsoring durch größere Firmen wird benötigt, um die vielen Ideen umzusetzen. Investition in Jugend ist immer eine Investition in die Zukunft. Vor allem aber zeichnet sich der Park durch das Ehrenamt aus. So wird auch den Jugendlichen von Anfang an vermittelt, dass der Park eine Frage der Ehre ist. Und den Kids wird schnell klar, dass man auch anstrengende Arbeit um der Ehre willen machen kann und sich danach auch noch freut – das erfahren sie am eigenen Leib.
Da Jugendarbeit aber auch das Wort Arbeit enthält, soll diese auch immer Teil der Pädagogik sein. Der all eins e.V. hat vier Auszubildende, mit dem neuen Park werden es noch mehr sein. Auch Schnupperjobs sollen angeboten werden, denn in Zeiten der Selbstfindung lernt man vielleicht schneller, was man nicht will, als das, was man will – also muss man sich ausprobieren. Es geht bei Jugend immer um mehr als nur Spaß, es geht um die Zukunft. Und das bestätigt Jens Werner durch seine jahrelange Erfahrung: „Die Jugendlichen haben heute mehr Zukunftsangst als früher. Der Druck in der Schule ist enorm gestiegen, jeden Tag wird ihnen gesagt, dass sie ohne Einser- Abitur nichts mehr wert sind. Die Hauptprobleme der jungen Leute sind nicht Drogen oder Kriminalität, es sind die Sorgen um Schule und Arbeit.“
Der neue Mellowpark zählt an sonnigen Tagen 400 Besucher und mehr, das ist der harte Kern, aber auch ein großer Teil von Besuchern, die sich vorher nicht durch das kleine Tor vom alten Park getraut haben, sich aber nun durchs Gebüsch ganz langsam heranschleichen können, um zu erkennen, dass sie hier noch öfter hinkommen werden. Das sollte und kann sich ein jeder trauen: Den Mellowpark besuchen. Die Jungs und Mädels dort sind keine geschlossene Clique, die jeden beäugt, der dort noch nicht war. Es ist ein Ort für jeden – und jeder ist eingeladen. Wer den Park fragwürdig oder gar doof findet, geht erst recht hin – und wird im Dialog den Park bereichern. Das ist auch der Mellowpark.
Der Mellowpark ist mehr als ein Jugendzentrum, mehr als ein Sportgelände, mehr als ein Spielplatz, mehr als ein Veranstaltungsort. Der Mellowpark ist ein Vorbild im Bereich der Jugendarbeit für ganz Deutschland. Er ist ein Teil von Köpenick, ein Teil von unserer Kultur, ein Teil von uns.
Jammern war gestern
Der Mellowpark wächst an seinem neuen Standort über sich hinaus
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