Diese Beamten, die nach ihrer Wahl durch die BVV für die Zeitspanne bis zur nächsten Wahl ernannt werden, sollen einen Tag später ihre Ressorts bekannt geben. Doch längst sind die Posten verteilt und Kooperationen geschmiedet.
Erstmalig im Südosten wird ein Dreierbündnis aus SPD, Grünen und Linken regieren. Die SPD, die bei der Wahl wieder als stärkste Kraft hervorging, erhält neben dem Bürgermeister noch einen weiteren Stadtrat. Jeweils einen Stadtratsposten bekommen die erstarkten Grünen, die spürbar geschrumpften Linken, die etwas stärker gewordene CDU und die AfD, die die meisten Stimmen verloren hat.
SPD verzichtet auf ihr Kernressort
Dass Oliver Igel, der seit 2011 Bürgermeister ist, seinen Posten behält, ist klar. Darauf hat sich Rot-Grün-Rot geeinigt. Igel übernimmt wie bisher auch die Bereiche Bürgeramt, Facility Management und Wirtschaft/Finanzen. Zweiter SPD-Stadtrat wird der 35-jährige Alexander Freier-Winterwerb.
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Damit endet die Ära des bisherigen Baustadtrates Rainer Hölmer, der zwar gern weitergemacht hätte, aber von seiner Fraktion nicht wieder benannt wurde. Hölmer war seit 2006 verantwortlich für das Ressort Bauen und Stadtentwicklung – für die SPD bislang ein Kernressort, an dem sie seit der Bezirksfusion festhielt. Und das sie jetzt abgibt, was für viele eine faustdicke Überraschung darstellt. Denn Freier-Winterwerb, ein ausgewiesener Jugendpolitiker, sieht seinen Arbeitsschwerpunkt nicht in der Stadtentwicklung. Er soll die Ressorts Jugend und Gesundheit übernehmen.
Mehr Personal und Vermittlung zwischen Anwohnern und Investoren
Nutznießer des Verzichts der SPD werden die Grünen sein. Deren promovierte Kandidatin Claudia Leistner, bislang Justiziarin in der Grünen-Abgeordnetenhaus-Fraktion, soll die Bereiche Stadtentwicklung, Grünflächen, Natur- und Umweltschutz übernehmen. Es wird eine Mammutaufgabe, zu der man der 35-Jährigen vor allem starke Nerven und viel Kraft sowie Durchsetzungsvermögen wünschen darf. Denn die Hypothek aus der Ära Hölmer ist groß: Vor allem der gravierende Personalmangel und eine oft beklagte fehlende Beteiligung von Bürgern und daraus resultierende Frustration bei Bauvorhaben ließen eine gute Arbeit und eine notwendig Kommunikation kaum noch zu.
Besserung verspricht hier die Kooperationsvereinbarung des Dreierbündnisses. In dem Fünf-Seiten-Papier wird eine neue Anlaufstelle für Bürgerbeteiligung versprochen, um Konflikte zwischen Anwohnern und Bauherren auszuräumen. Beim Bezirksbürgermeister soll zudem eine Stabsstelle zur Koordinierung von Großprojekten eingerichtet werden, die einen Ausgleich verschiedenster Interessen zwischen Anwohnern und Investoren organisieren soll.
Entwickelt werden soll auch ein umfassendes Stadtentwicklungs- und Verkehrskonzept für den gesamten Bezirk mit seinen unterschiedlichen Ortsteilen. Insbesondere für den Abschluss des 16. Bauabschnitts der A100, der Sanierung der Elsenbrücke, der Verkehrsberuhigung in Baumschulenweg und Oberschöneweide sowie der aktuellen Verkehrssituation in Köpenick, die durch die zunehmende Belastung der Wendenschloßstraße infolge der dortigen massiven Bauvorhaben soll so Rechnung getragen werden.
Eine weitere Nachverdichtung von Innenhöfen bestehender Wohnquartiere durch Neubauten soll es nach dem Willen von SPD, Grünen und Linken im Bezirk nicht geben.
Um diese Ziele, zu denen auch der weitgehende Erhalt von Kleingärten gehört, zu erreichen, soll das Personal im Bereich der Stadtplanung und Stadtentwicklung sowie im Straßen- und Grünflächenamt spürbar aufgestockt werden. Woher dieses Personal kommen soll, steht jedoch nicht in dem Papier.
Linke verantwortlich für Soziales
Die Linke, die trotz erheblicher Einbußen bei den Wahlen immer noch zweitstärkste Kraft im Bezirk ist, schickt Carolin Weingart als Stadträtin und stellvertretende Bürgermeisterin ins Bezirksamt. Sie soll den großen Bereich Soziales übernehmen und folgt damit ihrem Parteifreund Gernot Klemm, der nicht wieder angetreten war.
Die gebürtige Köpenickerin Weingart war bislang in Erfurt Referentin für die dortige Staatssekretärin Ines Feierabend, die in Treptow-Köpenick schon einmal Stadträtin war und urprünglich wieder kandidieren wollte. Doch weil die für dieses Jahr geplanten Landtagwahlen in Thüringen an der Verweigerung der CDU scheiterten, blieb Feierabend in Erfurt. Weingart übernahm in Treptow-Köpenick, mit Erfolg. Die 36-Jährige will gemeinsam mit SPD und Grünen die soziale Infrastruktur ausbauen, weitere Kiezklubs für einen besseren Zusammenhalt der Anwohner schaffen und die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen verbessern.
CDU nominiert wieder einen Lehrer
Die CDU ließ sich lange Zeit mit der Nominierung ihres Kandidaten. Erst wenige Tage vor der Entscheidung in der BVV wurde der 36-jährige Marco Brauchmann als Stadtratskandidat benannt. Brauchmann stammt aus Friedrichshagen, hat in Adlershof Physik und Mathematik auf Lehramt studiert und ist seit 2013 Lehrer an einem Berliner Gymnasium. Sein künftiger Arbeitsbereich passt zu seiner Ausbildung – er soll die Ressorts Schule, Sport, Weiterbildung und Kultur übernehmen.
Als Lehrer, so der Nominierte, sei es ihm ein besonderes Anliegen, seine Praxiserfahrungen einzubringen. „Ebenso wichtig ist mir die Präsenz und der Austausch mit den Sportvereinen, die Stärkung der Kultureinrichtungen und die Förderung der Weiterbildung in den bezirklichen Institutionen“, heißt es in einer von der der CDU verbreiteten Erklärung. Brauchmann ist nach Cornelia Flader der zweite Lehrer im Bezirksamt. Flader, die fünf Jahre CDU-Stadträtin war, wechselte im Frühjahr zu den Freien Wählern.
Wackelkandidat der AfD
Auch die AfD hat ihren Kandidaten für einen Stadtratsposten nominiert. Es ist Bernd Geschanowski, der bislang die Bereiche Gesundheit und Naturschutz verantwortete. Laut seiner Partei hat er dort konstruktiv, verantwortungsvoll und erfolgreich gearbeitet. Was andere durchaus etwas anders beurteilen.
Erinnert sei an Geschanowskis Versagen als Stadtrat, als ein Investor heimlich eine Insel in Schmöckwitz abbaggerte. Und daran, dass es unter seiner Verantwortung bislang keinen neuen Leiter des Gesundheitsamts gibt. Noch ist unklar, ob der 54-Jährige Geschanowski wiedergewählt wird. Das Ressort, dass Rot-Grün-Rot der AfD zubilligt, steht dagegen fest: das Ordnungsamt. Dieses der AfD zu überlassen scheint für die anderen Fraktionen das kleinste Übel.
Der AfD-Kandidat fiel bei der Bezirksamtswahl durch
Auf dem Foto am Eingang zum Köpenicker Rathaus gibt es nur strahlende Gesichter. Zwei junge Frauen und drei Männer posieren für den Fotografen. Die Fünfergruppe ist das neue Bezirksamt von Treptow-Köpenick, das sich nach der Wahl am 4.11. erstmals öffentlich präsentiert.
Doch einer fehlt: der Kandidat der AfD. Das sollte nach dem Willen der AfD-Fraktion der bisherige Gesundheits- und Umweltstadtrat Bernd Geschanowski sein. Doch der Nominierte fiel bei der Wahl durch die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) durch. Er erhielt nur zwölf Stimmen, neben den sieben seiner eigenen Fraktion gab es fünf weitere. Erforderlich wäre eine Mehrheit der 55 Verordneten gewesen.
Obwohl die Wahl geheim war und niemand sein Votum öffentlich macht, darf davon ausgegangen werden, dass das neue Dreierbündnis aus SPD, Linken und Grünen, das insgesamt über 35 Stimmen verfügt und eine enge Kooperation für den Südosten vereinbart hat, gegen Geschanowski gestimmt hat.
Zu groß war der Ärger über den Stadtrat in den vergangenen fünf Jahren. Da war zum Einen das Treiben eines Investors im Rotsch-Hafen in Schmöckwitz, der dort ohne Genehmigung eine Insel abbaggerte und damit nicht nur Geschanowskis Umweltamt düpierte, das trotz mehrfacher Hinweise aus der Anwohnerschaft untätig blieb.
Und da war auch die nie ganz aufgeklärte Affäre um den ehemaligen Vize-Amtsarzt im Gesundheitsamt, der dem AfD-Stadtrat Rassismus und Homophobie vorwarf und aus dem Amt geworfen wurde. Bis heute hat Treptow-Köpenick keinen neuen Amtsarzt.
Die AfD-Fraktion brauchte mehrere Tage, um sich vom Schock der Nichtwahl zu erholen. Fraktionschef Alexander Bertram kritisierte am Montag (8.11.) die „Blockade des AfD-Kandidaten“, mit der die neue Legislatur begonnen habe. Geschanowski habe durch Umstrukturierung und Schaffung neuer Stellen „wichtige Akzente“ in der Gesundheitspolitik gesetzt und gezeigt, dass „Bürgernähe und unkomplizierte Lösungsansätze“ möglich seien. Man stehe weiterhin zum Kandidaten und werde ihn auf der nächsten BVV wieder aufstellen, so Bertram.
Das neue Bezirksamt , in dem der AfD-Kandidat das Ordnungsamt übernehmen soll, besteht also zunächst aus fünf statt sechs Mitgliedern. Ihre Verantwortung verteilt sich wie folgt:
Oliver Igel, SPD – Bezirksbürgermeister, verantwortlich für Bürgerdienste, Personal, Finanzen, Immobilien und Wirtschaft
Carolin Weingart, Linke – stellvertretende Bezirksbürgermeisterin, verantwortlich für Soziales, Arbeit und Teilhabe
Dr. Claudia Leistner, Bü90/Grüne – verantwortlich für Stadtentwicklung, Straßen, Grünflächen und Umwelt
Marco Brauchmann, CDU – verantwortlich für Weiterbildung, Kultur, Schule und Sport
Alexander Freier-Winterwerb, SPD – verantwortlich für Jugend und Gesundheit.
Ampeln und Kampfabstimmungen in anderen Rathäusern
Auch in den anderen Bezirken werden derzeit die Ressorts für die nächsten fünf Jahre verteilt. Möglich scheint, dass die CDU überhaupt keinen Bürgermeisterposten mehr abbekommt. In ihrem angestammten Bezirk Steglitz-Zehlendorf, wo die Christdemokraten seit 50 Jahren regieren, könnte sich ihr bisheriger grüner Kooperationpartner für eine Ampel mit SPD und FDP entscheiden.
Auch im Nordwesten, in Reinickendorf, könnte bald eine Ampel leuchten und die Regierung der SPD zementieren. In Pankow will sich der bisherige Amtsinhaber der Linken mit Hilfe der SPD wiederwählen lassen.
Gerangelt bis zum Schluss wird in Lichtenberg. Hier umwirbt die bislang regierende Linke, die bei der Wahl viele Stimmen verlor, die Grünen. Aber auch die SPD will dort regieren, sie braucht dafür auch die Grünen, zudem sollen für einen SPD-Bürgermeister auch die FDP und die Tierschutzpartei gewonnen werden.
In Charlottenburg-Wilmersdorf sind mehrere Optionen möglich. Sowohl Rot-Grün wie bisher, aber auch Grün-Schwarz ist dort vorstellbar.
In Marzahn-Hellersdorf wurde zwar die CDU erstmals stärkste Kraft, aber aufs Bürgermeisteramt hat die Partei kaum Chancen. Das will die SPD mit Hilfe der Linken, Grünen, FDP und der Tierschutzpartei erringen.
In Tempelhof-Schöneberg, wo bislang Rot-Grün regierte, ändert sich nur die Reihenfolge der Farben: Grün-Rot heißt die künftige Kombination.
In Spandau wird die SPD als stärkste Kraft erneut regieren, nach 99 Jahren aber erstmals mit einer Frau als Bürgermeisterin, die von den Grünen, den Linken und der Tierschutzpartei unterstützt wird.
Klare Verhältnisse gibt es in Friedrichshain-Kreuzberg, wo die Grünen zwar Stimmen verloren, aber immer noch deutlich vorne liegen und erneut die Bürgermeisterin stellen werden.
Auch in Mitte kann der grüne Bürgermeister weitermachen, ebenso sein SPD-Kollege in Neukölln.